Justitia, die Göttin der Gerechtigkeit(© Raimond Spekking / Wikimedia Commons / CC-BY-SA-3.0).

Am letzten Montag strebte ein sich fast über zwei Monate lang hinziehendes Spiel seinem fulminanten Höhepunkt in Form eines Prozesses entgegen. Es ging darum, dass Mitte Juni ein Mitglied der Mercs, ich nenne sie nur kurz Miss S., in Lydius vom Slaver P. sowie einem Rarius in flagranti erwischt worden sein soll, wie sie mit einem etwas zu bleichen Kajirus der Stadt zu viel Spaß hatte oder haben wollte. In Lydius gibt es ein wie auch immer geartetes Beischlafgesetz das, sollte eine freie Frau zu viel Hitze zeigen, diese mit einem schönen Halsreif der Stadt samt kostenloser Unterkunft auf Lebenszeit belohnt wird. Wie auch immer, Miss S. jedenfalls hatte darauf keine allzu großen Böcke und wurde damals von ein paar nicht näher benannten Gestalten direkt freigekämpft. Sie tat dann genau das, was jeder tun würde: sie flüchtete und ward nicht mehr gesehen.

Pech nur, dass sie sich dann letzte Woche doch wieder in Lydius blicken ließ nach Zs Blog zu urteilen und noch größeres Pech, dass sie sich in Lydius immer noch nur allzu gut an die flüchtige Miss S. erinnern konnten. Bei so etwas fackelt man nicht lange, man behält die gute Frau gleich als Gast der Stadt dort und fertig, so geschah es auch. Irgendwie kam es dann allerdings dazu, dass man in der Sache einen Prozess anstrengen wollte. Ich weiß aus sicherer Quelle, dass das Slaver P. OOC absolut nicht schmeckte, de hätte am liebsten gleich kurz standrechtlich ein Collar gezückt und gut ist es, daher kann ich nur vermuten, man wollte eben auch mal ein richtig schönes Prozess-RP in Lydius haben. Und warum auch nicht, so ein RP ist etwas tolles, wenn man es richtig aufzieht und da haben sehr viele Leute etwas davon, es ist aber auch eines der anstrengendsten Plays, die es überhaupt gibt, weil man zum einen während des Prozesses dann ständig der Gegenseite folgen muss und sich besser darauf gute Antworten und Fragen zurecht legt, zum anderen, weil meistens das Rauschen im Gerichtssaal den Schwierigkeitsgrad fast immer gehörig verschärft. Es kam also, wie es kommen musste.

Zuerst wurde uns aus Lydius eine Nachricht geschickt, dass Miss S. nun auf Stadtkosten beherbergt wird und ihr der Prozess gemacht werden soll. Also waren wir nicht faul und eine kleine Delegation, bestehend aus der Botschafterin N. von Belnend und mir irgendwie als Elder Scribe dackelte zwei Tage vor Beginn nach Lydius, um darüber mit dem dortigen Richter Z. im Vorfeld in Ruhe zu sprechen und die Lage zu peilen. Das klappte auch sehr gut, man hörte sich an, was Miss S. vorgewurfen wurde und klärte OOC einige Details ab. In den Absprachen war klipp und klar drin, dass wir alle friedlich dem Prozess beiwohnen werden, wir auf jeden Fall dafür Sorge tragen, dass der Prozess auch ausgespielt werden kann und nicht durch eine vorherige Flucht das unterbinden würde. Als Termin für den Prozess wurde Montag, der 16.08.2010 um 20 Uhr festgelegt. Z. sagte uns noch zu, eine Kopie des lydianischen Stadtrechts zu geben, und halbwegs zufrieden reisten wir dann erstmal wieder nach Belnend ab, um die Gruppe der Mercs intern auf den Prozess in einer BtB-Sim auf Linie zu trimmen.

Das interne Trimmen auf Kurs übernahm dann mehr oder weniger ich, indem ich durch die Gruppe eine Notecard zum Thema „Wie sieht das buchnahe Rollenbild freier Frauen, Männer und Sklaven aus“ jagte, ebenso der Hinweis, das Fernwaffen in der Stadt nicht geduldet sind und am Stadttor kurzerhand von einem NSC abgenommen werden. Also ließ die Mehrheit diese einfach direkt zu hause und auch sonst klappte es überraschend gut. Alle Frauen gingen, bis vielleicht mit einem Dolch oder Haarnadeln bewaffnet, wie es sein soll in Roben und Schleiern auf die Reisen, alle Männer trugen ordentliche Tuniken und die Sklavinnen ebenso. Es war für manche zwar ein ungewohntes Bild, aber akkurat buchnah und sah einfach nur toll aus!

Wie es eben so üblich ist, reiste dann die Gruppe der Prozessteilnehmer unter Leitung des Kommandanten Belnends samt Botschafterin und mir ca. eine halbe Stunde vor Prozessbeginn nach Lydius ab, denn wer zu spät kommt, den bestraft ja bekanntlich nach Gorbatschow das Leben. Es schien so, dass die Lydianer nicht mit diesem Besucheransturm gerechnet hatten, jedenfalls hatten sie schlagartig ein Dutzend Besucher aus Belnend auf der Sim, was durchaus auch eine sehr gute Raidstärke darstellt. Das hat man eben friedlich so nicht alle Tage.

Als in der lydianischen Skybox ankamen, war Richter Z. oben noch OOC damit beschäftigt, seine neuesten Freebies aufzustellen und kam dann erst später IC zu uns. In Lydius selber war dann erstmal das große Rätselraten unsererseits, wo denn nun alle Lydianer ab geblieben sind, denn wir sahen zuerst weit und breit einfach keinen. Komisch, man sollte meinen, wenn man zum Prozess lädt und weiß, da kommt eine Delegation von weit her, wird man entsprechend erwartet, das war aber nicht so. Auch gut, kurze Zeit lang fühlte man sich fast als Herr der Stadt, nutzte die Gelegenheit für ein Gruppenbild und sah sich ein wenig in aller Ruhe um, damit lässt sich prima die Zeit tot schlagen.

Das wurde dann schlagartig anders als uns der erste Lydianer über den Weg lief. Dieser war ein wenig planlos und lief in irgendeinem schwarzen Lederleibchen herum, das viel Haut zeigte. Er selber stellte sich als Rarius namens A. der Stadt vor, ob das nun stimmte oder nicht, da habe ich keine Ahnung, in dem Aufzug hätte ihn auf jeden Fall kein Goreaner als solcher erkannt. Aber es brachte das Play voran und so langsam gesellte sich auch der Richter Z. von Lydius zu uns, begrüßte uns freundlich und der äusserst provokant spielende Ankläger und Zeuge in Personalunion in Form des städtischen Sklavenhändlers P. kam dann ebenfalls dazu. Spätestens jetzt begann langsam das Spiel so richtig ins Rollen zu kommen, es wurde klar, die Atmosphäre ist alles andere als freundlich und sofort waren einige Leute auf unserer Seite stark durch die Äußerungen Ps und anderer Lydianer extrem bis aufs Blut gereizt.

Nach einer kurzen Phase des Umherirrens gingen dann alle in den Gerichtssaal. Der Richter Z. erlaubte es nach kurzer Bitte, dass wir die Angeklagte nochmals kurz vorher sehen dürfen, um mit ihr in Ruhe zu sprechen und Rarius A. wurde dazu abkommandiert, uns zu Miss S. zu bringen. Leider hatte Rarius A. den Orientierungssinn eines Maulwurfs, was zu einer kurzen, feucht-fröhlichen Exkursion in die tiefen und düsteren Kellergruften des städtischen Kerkers führte, aber Miss S. war die ganze Zeit im Haus des Slavers untergebracht, also verlor man so durch diese Reibungsverluste einiges an Zeit, wir waren aber auch nicht ganz unschuldig dran. Aber wer weiß, wozu man dieses Wissen nochmal in Zukunft brauchen kann…l

Als uns dann allen unten siedend heiß einfiel, dass Miss S. ja im Haus des Slavers ist, irrten wir unter As Führung mehr schlecht als recht dorthin, es war gut, dass wir schon einige Tage zuvor in Lydius gewesen sind, da wir so genau wussten, wo sich diese Behausung befindet und die Botschafterin übernahm die Führung und ging schnurstracks dahin. Dort angekommen sahen wir Miss S. in unangetasteter Ehre im Kennel stehen, ihr war bisher wie zu erwarten war nichts geschehen, und wir stellten ihr kurz ein paar Fragen. Der Slaver war dabei schon sichtlich genervt, weil der Beginn des Prozesses sich so um 30 Minuten verzögerte, aber so ist eben Rollenspiel. Es ist dynamisch, es läuft längst nicht immer alles planbar und vor allem so, wie man es gerne hätte. Für einen Prozess darf man auch getrost zwei bis drei Stunden Spielzeit veranschlagen. Dazu kamen noch einige weitere Zeitverluste, da der Slaver sich außer Stande sah, die Frau so freizulassen, um sie in den Gerichtssaal zu bringen, das sei Sache der Rarii und so diskutierte man noch ein wenig, ob man denn das nun wagen könne oder nicht.

Dies war auch nicht das erste Mal, dass die lydianische Kommandostruktur in den Diskussionen stark durchexerziert wurde, sie scheint wirklich extrem kompliziert zu sein, irgendwie war niemand so richtig für etwas zuständig, andererseits sollte das Spiel aber auch vorangehen. Also machte man eben Kompromisse, einige nahmen etwas auf ihre eigene Kappe und gut war es gewesen!

Da sich die Slaverbehausung aber direkt unter dem Gerichtssaal befindet, war die Befragung dort schon nicht gerade leicht und man bekam sehr gut die aufgeladen bis giftig wirkende Atmosphäre des Gerichtssaal OOC mit, denn IC war natürlich die Decke zu dick, als das man darauf hätte reagieren können. Die Stimmung darin war bereits zu dem Zeitpunkt dort so aufgeheizt, dass man die Luft ohne Probleme in Scheiben hätte schneiden können. Genau in diese nette Atmosphäre begaben wir uns dann alle, beide Seiten beharkten sich in innigster Feindschaft auch weiter aufs Herzlichste, für Lydius waren die Mercs teilweise nur ein Haufen Habenichts und Tagediebe und diese wiederum ließen das nicht wirklich gerne auf sich sitzen. Einfach toll!

Mitten in dieser extrem aufgeheizten Atmosphäre, es waren bestimmt gut und gerne 20 Avatare auf engem Raume sitzend, begann der Prozess. Richter Z war, was wir leider nicht rechtzeitig erfuhren, an dem Tag reell ziemlich gesundheitlich angeschlagen und hatte pochende Kopfschmerzen, so dass dieser zwangsweise nicht der Herr der Lage gewesen ist.Dies wäre aber nötig gewesen, damit der Prozess einigermaßen in Ruhe hätte ablaufen können. So aber kam es durch die ohnehin schon vorherige aufgeregte Stimmung zu einer entsetzlichen Kakophonie, die wirklich für alle Beteiligten das Leben schwer machte und es war unmöglich, auch nur unsere Seite mal endlich zum Schweigen zu bringen. Die Leute machten einfach wirklich, was sie wollten, besonders schlimm fand ich dabei die völlig unqualifizierten Zwischenrufe unserer eigenen „Richterin“, die nur in einer Tour ständig rumnöhlte! Schlimmer war allerdings, dass die Lydianer auch nicht mal klar machten, wer denn der Herr im Hause ist, und so schaukelte sich das immer mehr hoch und in diesem entsetzlichen Grundrauschen soll man dann noch der Anklage plus dem Richter folgen sowie ein einigermaßen gescheites Spiel abliefern. Das war nahezu ein Ding der Unmöglichkeit gewesen. Die Lydianer selber haben auch so wohl bisher nur wenige Prozesse durchgeführt, denn sie nahmen uns als Gäste nicht mal vor Betreten des Gerichtssaals die Nahkampfwaffen ab.

Dem Richter Z, der vor dem Bildschirm nach eigenem Bekunden kurz vor dem Kollaps war, wurde es jedenfalls endgültig zu viel und er beendete das Spiel zur Unzufriedenheit des Slavers P. mit einem Freispruch der Angeklagten. Er entschuldigte sich kurzerhand OOC unter dem Hinweis auf seinen angeknacksten Gesundheitszustand, was völlig in Ordnung ist, lief aus dem Gerichtssaal und ward an dem Abend nicht mehr gesehen.  Die nun freigesprochene Miss S. freute es und den Rest der Mercs natürlich ebenso, auch wenn wir alle wirklich gerne einen richtig voll ausgespielten Prozess gesehen und erlebt hätten, aber einem geschenkten Gaul schaut man in dem Fall nicht ins Maul. Hätten wir im Vorfeld vom schlechten Gesundheitszustand Zs gewußt, dann hätte man da sicherlich noch etwas machen können, so aber war die Sache eben für uns unerwartet gut gelaufen gewesen.

Dem Slaver P. aus Lydius schien dann endgültig wegen der personellen Überlegenheit an kampffähigen Mercs im Gerichtssaal die Muffe durchzugehen, er schaltete sich sofort im Gerichtssaal OOC und teleportierte irgendwo sonstwohin, bevor sich auch nur ein Merc mit ihm befassen konnte.. Nur weg, weit weg von den bösen Mercs aus Belnend, die ihm einige sicherlich mal nur zu gerne noch IC ein paar Takte gegeigt hätten. Übrigens haben die Lydianer nach eigenem Bekunden gerade sowieso ein Problem mit freien Frauen, ich denke, dieser äusserst tapfere Slaver wird sicherlich sein Scherflein dazu beitragen.

Jedenfalls stieß diese, und ich kann es wirklich nicht anders sagen,  feige Aktion des Slavers P. aus Lydius bei vielen von uns so sauer auf, dass das für ihn noch Folgen haben wird. Er liegt deswegen vielen von uns nun extrem quer im Magen und da wird sich sicherlich noch etwas machen lassen, der Ideen und Möglichkeiten gibt es viele und ich kann da ohne Übertreibung sagen, er hat sich mit seinem unrühmlichen Weggang einige Feinde gemacht.

Was blieb war ein rollenspieltechnisch gesehen mässig gelaufener Abend, an dem viel falsch lief mit einem fahlen Beigeschmack, der aber auch nur zeigte, wir sind alle Menschen und wenn man sich BtB alleine ans Revers heftet, dann schützt auch das lange noch nicht vor Fehlern. Better luck next time, denn ich weiss, wir können es alle besser als es an dem Tag gelaufen ist!

2 Gedanke zu “Es war einmal in Lydius oder warum BtB nicht immer automatisch gutes Spiel bedeutet”
  1. Auch wenn ich natürlich in diesem Exkurs der Depp bin (und das zu recht), möchte ich eine Lanze für Lydius brechen. Ohne weiter ins Detail gehen zu können/wollen/dürfen, merke ich mal an, dass bei uns im Moment einiges zur Zeit sehr halbherzig und schwierig läuft, ja: laufen muss.
    Wir haben einige hervorragende Rollenspieler/innen bei uns, die wirklich buchnahes, schönes Spiel abliefern. Leider kam gerade am Montag eine derartige Häufung von schlechten Zufällen und Umständen außerhalb unseres Einflussbereichs zusammen, dass man es nur als „perfect storm“ bezeichnen kann. Ich bitte darum, unsere Stadt und unser Spiel nicht nach einem in die Binsen gegangenen RP zu verurteilen, denn wir können deutlich besser! Natürlich ist es immer ein besonders unterhaltsam für die Umwelt, wenn jemand mit besonders ehrgeizig gesteckten und demonstrativ vorgetragenen Werten dank zu hoch gehaltener Nase stolpert, aber das passiert jedem mal.
    In diesem Sinne: Das war kein Marker für alles RP aus Lydius und ich hoffe, Du kommst noch öfter vorbei, um Dich selbst davon zu überzeugen, dass wir nicht gar die vollendeten Wumpel sind, als die wir Montag erschienen!

  2. Du bist nicht der Depp, Zasta, deine Reaktion war verständlich. Dir wuchs eben alles total über den Kopf, ich weiß auch nicht, dein wievieltes Prozess-RP dies gewesen ist, da kann das schon mal vorkommen. Wir lernen ja alle aus Fehlern und machen es dann das nächste Mal besser, ohne diese Fehler würden wir nicht wachsen. Schlechte Tage haben wir alle mal, wir können nicht nur ständig supergutes RP erwarten, es muss auch mal durchschnittliches und gar schlechtes geben können (so wie das Pack der Black Shark heute in Lydius, das war nur unterirdisch, was die abzogen).

    Mich störte und nervte die Kakophonie im Gerichtssaal auf beiden Seiten extrem, das sprach ich auch entsprechend in unserer Gruppe an und was ich für mich persönlich nicht einordnen kann, wofür mir also wirklich das Verständnis einfach fehlt ist die Reaktion des Slavers, der OOC ging.

    Ich hoffe nur, Lydius bleibt lange genug bestehen, dass ich es noch bald erleben kann.

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