Die Mär vom Naturparadies im Mittelalter und der Antike

Eine Sache, die man immer häufig hört und mit der man in diversen Rollenspielen konfrontiert wird, ist diese: hach, damals, ja damals war die Natur noch Natur, der Mensch noch Mensch und so etwas wie eine vergiftete Welt gab es gar nicht.

Das ist dann der Moment, wo man den Leuten nur empfehlen kann, sich mal in Ruhe ein beliebiges Geschichtsbuch durchzulesen, dann das Denken anzufangen und dann mal über ihre Meinung zu reflektieren. Denn kurz gesagt ist diese landläufige Meinung eine riesengroße Geschichtsverklärung, im Gegenteil, auch damals machte der Mensch schon mit seiner Umwelt, was er wollte. Schlimmer noch, von nachhaltigem Wirtschaften war er damals weiter entfernt als heutzutage, da er die Zusammenhänge noch nicht wirklich begriff und die Folgen sieht man überall.

Dazu muss man ein wenig ausholen: hier in Europa leben wir in einer jahrtausendealten Kulturlandschaft. Unter Kulturlandschaft versteht man eine Landschaft, die der Mensch geprägt hat. Es gibt in Europa kaum Flecken, die noch wirklich naturbelassen und nicht vom Menschen geprägt worden sind.

Es gibt auch den Begriff der potentiell natürlichen Vegetation. Das klingt zuerst einmal furchtbar hochgestochen, heißt aber nichts anders als das, was an genau dem Standort XY wachsen würde, wenn der Mensch nicht eingreifen würde. Kurz gesagt ist das an den meisten Stellen in Deutschland Mischwälder. Die ganze Landfläche wäre mit Wäldern überzogen, hätte der Mensch nicht eingegriffen.

Eines der Grundbedürfnisse des Menschen ist dabei Essen, also früher die Jagd und nach der Sesshaftwerdung Ackerbau und Viehzucht. Von einem Wald selber kann man nur schlecht leben, also weg damit und Ackerland daraus gemacht. So entstanden früher überall erste Siedlungen, Rodungsinseln und Bauernhöfe. Wälder, sofern man sie stehen ließ, dienten vor allem der Deckung des Bauholzbedarfs und als Rohstoff für die Holzkohlegewinnung.

Die heutige Waldbedeckung Deutschlands ist dabei ein Luxus der modernen Zeit, böse Zungen sagen ja gar, die Waldliebe kam erst mit den Nazis wieder, noch vor 100-150 Jahren war sie ungleich geringer, die Mineraldüngung gab es auch noch nicht oder war erst im Kommen, und Wälder waren damit vor allem eines – ungeliebt.

Der Mensch machte daher schon immer mit der Natur, was ihm gefällt. Schon in der Antike gibt es dazu das Beispiel der Römer. Deren gewaltige Militärmaschinerie hatte damals einen Riesenbedarf an Holz. Holz zum Bau ihrer Schiffe, aber auch für alle anderen möglichen Sachen, was dazu führte, dass die Römer reihenweise die Wälder ums Mittelmeer abholzten und so die Primärvegetation verschwand. Die heutige, meistens spärlich anzusehende Vegetation in Italien ist ein Ergebnis dieser damaligen Politik.

Letzten Endes heisst das nichts anderes, dass auch schon damals der Mensch der Natur großen Schaden zufügte, der teilweise bis heute nachwirkt. Wer in seinem Kopf das Bild vom umweltfreundlichen Menschen des Mittelalters oder gar Antike hat, der sollte mal wirklich scharf nachdenken, denn es ist schlichtweg falsch. Schon damals gab es einen massiven Raubbau an der Natur, und vieles geschah auch noch aus dem einfachen Grund, dass man es nicht besser wusste.