Liebe Piraten,

eine Zeit lang war es ja wirklich schön mit euch. Ihr hattet tolle Ideen, die richtigen Ideale und wolltet viel in der Politik bewegen. Ihr habt frischen Wind in die verkrustete Politiklandschaft Deutschlands gebracht, es aus dem Stand sogar in viele Landesparlamente geschafft, Netzpolitik, das war euer Ding, Basisdemokratie, genau, Liquid Feedback und ihr wolltet alles besser, transparenter, schöner machen als der Rest der etablierten Parteien.

Eine Zeit lang ist euch das auch gelungen, und ihr hattet für eine junge, politische Kraft eine beachtenswerte Siegesserie in den Länderparlamenten gehabt. Eure Gründung jährt sich in diesem Jahr zum achten Mal, und von dem anfänglichen Schwung und Elan ist leider nicht mehr viel übrig geblieben.

Ihr habt leider bis heute nicht verstanden, dass die eigenen Vorstellungen und Ideen noch so gut sein können, wie es nur geht, solange man keine vorzeigbaren Köpfe hat, die diese medial gut präsentieren können, geht man irgendwann eben unter. Oder noch schlimmer, wenn man die falschen unvorzeigbaren Köpfe hat, die sich aber nur allzu gerne zeigen, dann macht einen der politische Gegner nur zu leicht fertig, wo es nur geht. Diesen unvorzeigbaren Kopf gab es leider bei euch und sein Name ist Johannes Ponader. Dieser Mann hat euch, eurer Partei und euren Ideen mehr geschadet, als euch lieb sein kann und ihr habt wahrscheinlich bis heute überhaupt nicht begriffen wie sehr, denn ansonsten hättet ihr den längst nicht solange in seinem Parteiamt machen lassen.

Ponader ist zwar inzwischen auch schon längere Zeit Geschichte, von der Delle aber, die er eurer Partei verpasst hat, habt ihr euch bis heute nicht erholt. Ein alter Spruch lautet „Hinfallen ist keine Schande, sondern gehört einfach zum Leben dazu, nicht danach Aufstehen dagegen schon“ – ihr seid hingefallen und seitdem nicht mehr richtig aufgestanden. Es ist euch in 2013 nicht gelungen, die bis dahin anhaltende Siegesserie fortzusetzen. Es gelang kaum noch ein Einzug in Länderparlamente und in den Bundestag erst recht nicht.

Und seitdem herrscht weitestgehende Funkstelle über euch in den Medien. Gut, bis auf das eine Interview nun vom Berliner Lauer in der TAZ vielleicht, aber eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Ihr seid nicht mehr die Neulinge, über deren Erfolge man sich erregt und an denen man sich reibt, denn Erfolge habt ihr schon seit einiger Zeit nicht mehr vorzuweisen. Ihr seid teilweise in den Parlamenten angekommen und seid damit Teil des Establishments geworden, gegen das ihr angetreten wart, und zeigt nun wie in Berlin massive Auflösungserscheinungen.

Und da muss ich schon einmal im achten Jahr eures Bestehens die Frage an euch stellen: war es das nun mit euch, oder schafft ihr es endlich mal, euch neu zu erfinden? Ihr habt einige Zeit lang wirklich den Politikbetrieb gehörig aufgemischt und neue Impulse rein gebracht, ihr habt Leute wieder zurück an die Wahlurnen gebracht und oder gar erstmals an die Urnen gebracht, die es sonst im Leben nicht mehr vorgehabt hätten. Das ist zweifelsohne euer Verdienst.

Aber das alleine ist auf Dauer zu wenig; wo sind eure Köpfe, wo sind eure Visionen, wo eure Pläne, eure Ziele für 2014 und darüber hinaus? Wenn man heute noch über die Piraten etwas liest, dann hat man das Gefühl, es mit einer im Dämmerschlaf dahin vegetierenden Partei zu tun zu haben, die in der Realität angekommen ist und nun langsam, aber friedlich den Weg aus den Parlamenten antritt. Eine Partei ohne Elan, ohne große Vision und völlig ohne jede Hoffnung auf die Zukunft. Und solche Parteien hören einfach irgendwann von selber zu existieren auf, puff – weg sind sie.

Ich bin mir nun sicher, ihr werdet auch euren zehnten Geburtstag noch erleben, aber wenn ihr so weiter macht, dann halte ich es für fraglich, dass es euch in fünf Jahren von jetzt an als politische Kraft, die etwas bewegen kann, noch gibt.

Ihr wart eine nette Idee, aber wenn ihr jetzt nicht zeigen wollt, dass ihr mehr seid als das und vor allem auch liefern könnt, dann ist euer Kentern verdient und gerechtfertigt. So ist das eben in einer Demokratie, man muss sich bei jeder Wahl um die Stimme des Wählers neu bemühen und bewerben, und eure Anstrengungen sind da inzwischen sehr gering. Denn eine Partei, die sich hauptsächlich nur noch um sich selber dreht, braucht letzten Endes keiner.

Denkt einmal darüber nach.

Mit freundlichen Grüßen,

ein Demokrat und Wähler

PS: solange die Piraten in den Medien nur noch durch Aktionen wie den Streik vor kurzem auf sich aufmerksam machen, diese den Prozess des Niedergangs dokumentieren und ihr nicht mehr mit Sachthemen darin präsent sein, wird das auch nichts mehr werden.

2 Gedanke zu “Die Piraten – klarmachen zum Kentern!”
  1. Eine idealistisch-utopische Anmerkung:

    Zwar kann ich den getroffenen Aussagen/Feststellungen nicht wirklich widersprechen. Aber ist es damit getan? Stellt man da nicht ggf. AUCH berechtigte Fragen, aber fehlen da nicht noch weitere Fragen. Fragen zum Beispiel auch an die etablierten Parteien?

    Warum eigentlich muss eine Partei wie die Piraten die gleichen Qualitätsanforderungen wie eine etablierte Partei erfüllen, bzw. im Laufe der Zeit entwickeln? Und diese Frage stelle ich für alle neuen Parteien, Fastparteien, Bürgerbündnisse.
    Darf man es eigentlich nicht so sehen, dass es trotz der vielen vielen Steine im Weg immer noch, und immer wieder Gruppen gibt, wie z.B. die Piraten, die nicht nur Defizite in der etablierten Parteienlandschaft feststellen, sondern sich dann auch noch dankenswerter Weise so vehement damit beschäftigen dass ihre Bedenken einer breiteren Öffentlichkeit bewußt gemacht werden.

    Und sollte es nicht so sein, dass durch die Anfangserfolge dieser Gruppen/Parteien auch den etablierten Parteien klar werden sollte, dass sie hier ein Defizit haben bei dem von größeren Teilen der Bevölkerung eine Lösung erwartet wird. Und sollte es nicht so sein, dass die etablierten Parteien – die ja immer nur auf unser Wohl bedacht sind – mit ihren grossen Apparaten und ihrem organisatorischen Knowhow eine solche Lösung anbieten.? Ist es wirklich in Ordnung, dass die deutlichen und erfolgreichen Fingerzeige von Zwergparteien, Bürgerbündnissen etc. nicht reichen um die etablierten zum Handeln zu bewegen?
    Müssen diese Zwergparteien/Bündnisse wirklich die gleichen kostenträchtigen Strukturen aufbauen die es bei den etablierten Parteien bereits – zu zwar auf Kosten der Steuerzahler!! – gibt?

    Nun ja, man wird ja mal ab und an von einer idealen Welt träumen dürfen.

    1. Nun ich bin der Ansicht, dass das Rumreiten auf dem angeblichen Nichtvorhandensein eines allumfassenden Programms bei den Piraten in erster Linie ein Hebel war, mit dem die Medien sie zerlegen wollten. Den Wähler hat das nicht so sehr gestört wie die Schreiberlinge der Medien, dazu kommt, dass sie schon inzwischen recht lange ein Programm haben.

      Man darf nicht vergessen, dass die Piraten sich bisher als einzige Partei eine Reform – nicht Abschaffung – des Urheberrechts in einer Art und Weise auf die Fahnen geschrieben haben, die die bisherigen Gewinner des aktuellen Systems deutlich entmachten und deren Einnahmen schmälern würden. Damit war es klar, dass diese Leute ihre ganze Macht darauf verwandten, die Piraten möglichst klein zu kriegen, damit sie nicht wirklich anfangen können, ihre Ideen umzusetzen.

      Allerdings bin ich auch der Meinung, dass Netzpolitik auf Dauer eben ein zu abstraktes Gebilde ist, dass alleine nicht reicht, um in die Parlamente gewählt zu werden. Im Vergleich dazu bei den Grünen war es Umweltschutz und Kampf gegen die Kernkraft, das polarisierte deutlich stärker und ist damit ein deutlich stärkerer Antrieb gewesen, diese in die Parlamente zu wählen.

      Zweifelsohne ist es Verdienst der Piraten, dass die etablierten Parteien sich zumindest nun ein wenig mit Netzpolitik beschäftigen und jeder Wahlerfolg der Piraten sorgte dafür, dass die Netzpolitiker in CDU/CSU/SPD ernster genommen wurden. Das war es dann aber auch schon, auch in den Parteien spielen diese meist jungen Leute mehr eine Minderrolle.

      Natürlich muss eine solche Partei wie die Piraten nicht dieselben Strukturen aufbauen wie die etablierten Parteien; sie sollte aber eine Struktur aufbauen, die handlungsfähig ist und zum Erfolg führt.

      Das ist den Piraten eben nicht gelungen. Von der Debatte um Ponader haben sie sich nicht mehr erholt, momentan erscheint die Partei handlungsunfähig und deutlich mehr damit beschäftigt, sich um sich selbst zu kümmern als um ihre eigentlichen Ziele, und das ist eben schlecht. In Berlin sind beispielsweise inzwischen einige Piraten ausgetreten und bei CDU/SPD – sic! – eingetreten. Die Piraten verweisen sauer darauf, sie hätten eigene Nachrücker auf der Liste und die Leute sollten gefälligst ihr Mandat zurückgeben, die denken aber im Traum nicht daran. Und sie sind ja auch nicht dazu gezwungen…

      Und dann kommt eben noch die einfache Sache dazu, dass gewisse Spielregeln auch die Piraten eben nicht auf den Kopf stellen können, weil sich im Grunde daran schon seit der Antike nichts geändert hat. Schon in der Antike im römischen Senat wusste man von der Kraft einer guten Rede, Cicero ist da ja ein Beispiel, aber was braucht es für solche Reden? Einen charismatischen, vorzeigbaren Kopf.

      Das hat sich bis heute nicht geändert, unsere Gesellschaft lebt ja inzwischen davon, da keiner mehr sich wirklich umfassend informieren kann oder will, dass man kleine, aufbereitete Informationsschnipsel zu politischen Themen präsentiert bekommt, auf ein oder zwei Sätze verdichtete Aussagen zu politischen Themen. Und da ist es eben ganz wichtig, dass man als Partei, die etwas reißen will, auch die entsprechenden Köpfe hat, die sich in dem Umfeld bewegen, vor allem von den Medien regelmäßig gefragt werden, so Präsenz zeigen und eben zeigen: wir, die Piraten, sind da, und wir wollen etwas reißen!

      So läuft das eben, und auch die Piraten werden das Spiel so schnell nicht ändern. Da heißt es entweder mitmachen oder eben untergehen. Und fürs mitmachen haben sie sich nicht entschieden.

      Dabei haben die Piraten durchaus einige Leute, die ihre Sache in der Medienlandschaft nach außen hin vertreten könnten, aber sie sind nicht wirklich in den richtigen Positionen, damit haben sie in der Medienlandschaft dann keine Präsenz mehr und gehen unter.

      Ich meine damit Leute wie Christopher Lauer aus Berlin, der immerhin auch in Talkshows einige nette Impulse brachte oder Marina Weisband. So etwas geht den Piraten eben ab, die Grünen dagegen hatten früher Joschka Fischer, aber da war auch das Grundthema deutlich polarisierender und damit von sich aus tragfähiger als bei den Piraten.

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