Heute möchte ich mal ein wenig über ein Thema schreiben, das viele nicht mehr hören können oder wollen, aber dennoch seine Wichtigkeit hat, nämlich World of Warcraft als Sucht. Gibt es was, wie passiert das, was ist daran schuld oder ist das alles nur ein hysterisch aufgebauschtes Mediengetue, um da friedliche Spieler in die Pfanne zu hauen wie RTL das getan hat?
Zunächst einmal starte ich mit folgender Feststellung:
Ja, World of Warcraft kann süchtig machen!
Wichtig dabei ist: es kann dies tun, es muss dies nicht zwangsweise tun. Es kommt dabei auf die Person vor dem Gerät an, ob die gefährdet ist oder eben nicht. Die meisten Spieler haben das mehr oder weniger gut im Griff, aber es gibt dennoch Menschen, die sich an das Spiel (oder andere wie League of Legends, Day of the Ancients 2 usw.) verlieren.
Die erste, wichtige Frage in dem Zusammenhang ist ganz einfach diese: wie definiert man in diesem Kontext denn nun eigentlich Sucht?
Die Weltgesundheitsorganisation definiert Sucht folgendermaßen, und der Definition schließe ich mich an:
- Unbezwingbares Verlangen zur Einnahme und Beschaffung des Mittels
- Tendenz zur Dosissteigerung (Toleranzerhöhung)
- Psychische und meist auch physische Abhängigkeit von der Wirkung der Droge
- Schädlichkeit für den Einzelnen und oder die Gesellschaft
- Verlust der Kontrolle über das eigene Verhalten.
Auf WoW übertragen ist Sucht die Unfähigkeit, WoW verantwortungsvoll zu spielen. Verantwortungsloses Spielen kann einen davon abhalten, persönliche Ziele zu verwirklichen und Beziehungen zu Freunden und der Familie schädigen.
Oder anders gesagt: es sind Menschen, die ihr Leben dem Spiel unterordnen und nicht umgekehrt. Wo die Grenzen für verantwortungsvolles Spiel sind, ist dabei von Person zu Person verschieden.
Und wahre Geschichten von Leuten, die durch das Spiel sehr viel verloren haben, gibt es genug, wenn man nur einmal ein wenig forscht. Aber zuhören muss man ihnen schon selber.
Aber WoW ist doch nur ein Spiel – oder?
Ja, WoW ist nur ein Spiel. Ein Spielautomat in einer Gaststätte ist auch erstmal nur ein Stück Technik, das rumhängt und auf Kundschaft wartet, und dennoch gibt es genügend Leute, die solchen Automaten hoffnungslos verfallen sind. Da darf man sich mal nicht täuschen.
Auch wenn WoW nur ein Spiel ist, so gibt es dennoch einige Sachen, die es von anderen Spielen deutlich unterscheiden. Das Wichtigste dabei ist, dass einfach immer etwas los ist und passiert. Auch wenn man schläft, so passiert was im Spiel und man bekommt das möglicherweise nach dem Einloggen mit.
WoW erlaubt es nicht, Spielstände zu speichern. Wenn man gewisse Tätigkeiten erledigen will, dann muss man diese entweder am Stück erfolgreich erledigen (mitunter braucht man dazu Mitspieler) – oder macht es eben gar nicht. Gerade dadurch ist aber für gewisse Ziele ein gewisses Mindestengagement einfach nötig.
Das Hauptspiel in WoW findet auf dem Endlevel ab 90 statt. Man kann sich entweder im PvP versuchen, oder aber probiert es im PvE. Mancher züchtet einfach haufenweise weitere Charaktere.
Die grundlegenden Triebfedern für WoW sind dabei diese:
- es gibt haufenweise für alle möglichen und unmöglichen Taten Erfolge. Diese kann man sammeln, sich dieser freuen oder damit angeben. Manche Erfolge sind schwerer als andere, und wenn man einen Erfolg schafft, dann gratulieren fast alle einem dazu und man wird dadurch motiviert, weiter zu machen. Dadurch, dass es sehr, sehr viele Erfolge gibt, ist die mögliche Motivation und das aufpolierte Selbstbewußtsein sehr hoch.
- die Leistungsfähigkeit des eigenen Charakters hängt neben dem Spielverständnis sehr, eigentlich zu sehr von den angelegten Aufsrüstungsgegenständen oder Items ab. Nur um sich komplett auszurüsten, braucht man Wochen wenn nicht länger. Kaum ist man damit fertig, muss es dann noch ein Zweitcharakter sein, dne man ausrüstet oder der neue Schlachtzug kommt heraus und die bisherigen Gegenstände sind hoffnungslos veraltet, so dass man sich wieder mühsam eine neue Ausrüstung erarbeiten muss. Und das dauert dann. Das ist es, was viele die Itemspirale nennen. Im Grunde ist es wie ein Esel, an dessen Rücken man einen Stock mit einer Karotte befestigt, die vor seiner Schnauze baumelt und er rennt ständig durch die Gegend. Das Spiel lässt sich damit beliebig verlängern, wenn man nur für genügend Nachschub sorgt, und genau das macht Blizzard.
- Neben der geplanten Veraltung der Gegenstände ist – und damit sind wir wieder beim Spielautomat – eine weitere Triebfeder von WoW im Bereich des PvE im Grunde reines Glücksspiel. Und das geht so: jemand, meinetwegen ein Druide, will unbedingt endlich eine neue Waffe bekommen, weil seine bisherige noch aus dem alten Schlachtzug ist. Er weiß aber genau, im aktuellen Schlachtzug gibt es diese erst bei Boss drei und später Boss 14. Boss 14 hat seine Gruppe noch nicht legen können, also hofft er Woche für Woche darauf, dass es bei Boss 3 dabei ist. Nun hat Boss 3 insgesamt einen Fundus von 22 unterschiedlichen Gegenständen, den seine Leiche nach erfolgreicher Bewältigung präsentiert. Wieso ausgerechnet 22 Gegenstände? Es gibt im Spiel aktuell 11 spielbare Klassen, also pro Boss für jede Klasse zwei mögliche Gegenstände. Wenn denn bei 10 Leuten im Raid er also zwei Gegenstände präsentiert, dann gibt es eine Chance von 2/22 pro Woche, dass die Wunschwaffe darunter ist. Eine Überprüfung auf bisherige Beute findet nicht statt, und genau das ist eben Glücksspiel. Genau das erzeugt bei vielen eine Menge Frust, aber weil sie dann häufig eben doch nicht aufgeben, auch große Glücksgefühle, wenn sie die Wunschwaffe/objekt endlich bekommen.
Nur ist der Unterschied zwischen Spielautomaten und WoW, dass Spielautomaten erst ab 18 Jahren legal genutzt werden dürfen. WoW aber ist ab 12 Jahren freigegeben, obwohl es in dem Bereich Spielautomaten stark ähnelt. Gut, man verliert in WoW allerdings kein Geld, aber die Mechanismen dahinter sind dieselben.
Im Grunde ist es in WoW also so, dass es eben immer und ständig, stetig und überall etwas zu tun gibt. Es ist, wenn man so will, für viele eine endlose Plackerei mit dem Ziel, sich zu verbessern nur um dann mal wieder festzustellen, dass es neuen Schlachtzug, neues Glück und Beute gibt. Diese Erneuerung gibt es ständig und es wird von Blizzard forciert. Die wären ja auch schön blöde, wenn nicht. Nun möchte ich Blizzard keinerlei böse Machenschaften unterstellen, aber sie sind eben eine Firma, die ihr Geschäft am Laufen halten muss, das in dem Bereich auf einem Abomodell basiert. Also tun sie alles, um die Spieler möglichst lange ans Spiel zu binden, denn je länger sie spielen, desto länger zahlen sie.
Die Community im Spiel übrigens ist häufig kein Grund mehr noch zu spielen. Die ist einfach inzwischen viel zu sehr für den Arsch.
So. Natürlich sagt jemand, den man vor einem Aldi befragt ob er Aldi gut findet kaum, dass er Aldi hasst. Dementsprechend werden die wenigsten aktiven Spieler in WoW sagen, dass sie ein WoW-Problem haben. Die meisten haben keines, und diejenigen, die eines haben könnten oder haben, erkennen es oft einfach nicht.
Sollte man aber der Meinung sein, dass WoW einen beherrscht und nicht umgekehrt, dann ist die berechtigte Frage: wie kann man das schaffen?
1. Man sollte offen zugeben, dass man ein Problem hat und mit anderen darüber reden. Das ist der Anfang und verdammt hart, aber die Einsicht in den Fakt, dass einen das Spiel beherrscht und nicht umgekehrt ist der erste und vor allem wichtigste Schritt zurück in ein selbstbestimmtes Leben.
2. Man sollte sich mal dies überlegen: man soll mal an den Tag zurückdenken, an dem man das Spiel das erste Mal gespielt hat. Hätte man es damals gekauft, wenn man schon damals alles gewusst hätte, was man heute weiß? Dann sollte man sich dies vorstellen: angenommen, man spielt das Spiel in zwei Jahren noch und denkt an den heutigen Tag zurück, an dem man die Entscheidung fällte, weiter zu machen oder aufzuhören. Wie fühlt es sich dann an, wenn man weiter machen würden?
3. Finde heraus, was deine Sucht verursacht hat. Was genau ist es, was einen an WoW so fasziniert? Sind es die Kontinente, die man niemals besuchen kann? Ist es die Rolle als Tank oder Magier? Was auch immer es ist, man sollte die durch WoW erzeugte Freude minimieren und versuchen, statt dessen sich neue Hobbies im wirklichen Leben zuzulegen, die einen mindestens genau so befriedigen. Sei es das Erlernern von Kampfsport, das Lesen von Büchern, das Abhalten eines LARPs und anderes mehr.
4. Man besorge sich selber einen schnellen Burnout. Also man setze einen Privatserver auf, levele da ein wenig, gebe sich Adminrechte und sieht im Grunde wie schnell man Level haben könnte. Dies zerstört ziemlich sicher die Faszination und zeigt WoW als das, was es ist: es ist nur eine Simulation mit künstlichen Regeln. Danach fühlt sich meist das Spiel auf den offiziellen Servern einfach nur noch wie ein Hamster in einem Drehrad an.
5. Suche dir Mitstreiter! Vieles geht in einer Gruppe besser und viele spielen WoW im Grunde nur deshalb, weil ihre Freunde es spielen. Es kann auch helfen, seine Familie und Freunde um Mithilfe zu bitten.
6. Nutze die elterliche Freigabe! Es gibt im Battle.net die Möglichkeit einer elterlichen Freigabe, um Spielzeit und -dauer zu beschränken. Man setze diese selbst und vergebe ein so kompliziertes Password, dass man besser schnell vergisst. Oder noch besser, man bittet einen Freund oder Familienmitglied darum, für einen diese Freigabe einzurichten.
7. Verplane deine Freizeit anderweitig! Ein guter Weg ist es, sich einen Nebenjob zu suchen, um die mögliche freie Spielzeit zu reduzieren. Oder man unternimmt was mit Freunden, betreibt Sport, engagiert sich ehrenamtlich. Wichtig dabei ist, dass diese Dinge außer Haus statt finden, fern vom Computer. Es gibt sehr viele Dinge, die mindestens genau so spannend sind wie WoW und eine Gilde ist kein Ersatz für echte Freunde.
8. Verschenke dein gesamtes Inventar und lösch all deine Charaktere! Dies ist keine einfache Lösung für das Problem, aber es fühlt sich wie ein Reset an. Wenn kein Charakter mehr spielbereit auf Level 90 da ist, der einen lockt, verliert man die Bindung zum Spiel. Es kann aber auch zum Bumerang werden und in einen den Wunsch erzeugen, erneut zu leveln.
9. Verkaufe deinen Account! Es gibt genug Leute, die für einen gut ausgerüsteten Account immer noch einiges an Geld bezahlen.
10. Bezwinge das Spiel! Wenn alles andere nichts hilft, dann sollte man spielen bis man den Höchstlevel erreicht. Dann schaue man auf den Weg dahin zurück, und überlege sich mal, ob es das wert war.
11. Unternehme Sachen im wirklichen Leben, die sich für dich auszahlen wie Kochen lernen, Fitness betreiben oder erste Hilfe und mindestens dieselbe Befriedigung wie das Leveln verschaffen.
12. Lerne Blizzard zu hassen. Das mag zuerst seltsam klingen, aber wenn man gewisse Standards entwickelt wie den Wunsch, von den Gamemastern immer fair behandelt zu werden, genau auf Bugs achtet und die Unvollkommenheit im Spiel sowie ein sich ein wenig mit den Gechäftsmethoden von Blizzard auseinandersetzt, könnte es sein, dass man irgendwann das Gefühl bekommt, dass eine andere Firma das eigene Geld viel mehr verdient hat.
Es wäre noch wichtig zu erwähnen, dass nicht alle WHO-Kriterien erfüllt sein müssen damit man als suchtgefährdet oder suchtkrank gilt ist. Sobald auch nur drei dieser Kriterien erfüllt sind ist man bereits suchtgefährdet. Gerde der Punkt „Schädlich für den einzelnen oder die Gesellschaft“ ist sehr schnell erfüllt. Wart ihr schon mal auf der Arbeit müde oder hättet fast verschlafen weil Ihr am Abend vorher gespielt habt?
Persönlich finde ich es auch wichtig von Suchtkranken zu sprechen, denn es stigmatisiert die betroffenenen weniger. Sucht ist einen Krankheit die teilweise selbstverschuldet, teilweise aber auch schicksalshaft wie ein Krebs über einen komen kann. Es wär gemein alle Suchtkranken in eine Ecke zu schieben über der steht „Die kommen mit ihrem Leben nich klar, darum saufen, zocken oder rauchen sie.“
Die „Selbsthilfe“-Tricks die Du am Ende gibst halte ich für gefährlich! Denn sie implementieren dass es irgendwie einfach aufhören kann wenn man merkt dass man süchtig ist. So einfach ist es mit Suchterkrankungen aber leider nicht. Ich würde eher empfehlen sich im Falle eines eigenen Krankheitsbewusstseins an eine professionelle Hilfsstelle zu wenden.
Hier funktioniert es so wie bei den meisten Suchterkrankungen: Erstmal Entgiftung. Bedeutet eine gewisse Zeit, erzwungene Abstinenz. Meistens lässt das verlangen zu Spielen deutlich nach wenn man erstmal 14 Tage nicht am rechner war, nichmal zum eMails lesen. Hinterher Entwöhnung, bedeutet über andere Aktivitäten die Wahrnehmungsfähigkeit des Patienten auf andere Lebensbereiche zu lenken und ihm Stück für Stück zu verinnerlichen, dass man auch im RL Erfolge erringen kann und davon sogar wirklich was hat.
Das die Boulevardpresse wie RTL natürlich ein gehobenes Interesse daran hat, die WoW-Suchtkranken in die Pfanne zu hauen ist verständlich. Es gibt ja auch genau so viele Leute die süchtig nach dem Dreck sind der dort täglich über den Bildschirm flimmert.
Ungeklärt ist bisher die Frage ob es sich bei der Mediensucht (eine Variante davon ist die Computersucht) um eine Liftime-Diagnosehandelt ähnlich wie bei der Alkoholsucht. Alkoholsucht bleibt IMMER bestehen, auch wenn man 10 Jahre „trocken“ war.
Sollte es bei der Computersucht ähnlich sein wäre das alarmierend, denn unsere Gesellschfat macht das Internet immer verfügbarer und damit den Zugriff auf den Suchtstoff immer einfacher. Ein Alkoholkranker kann einfach nicht in die Kneipe gehen und im Supermarkt keinen Alkohol kaufen. Aber nicht ins Internet zu gehen obwohl man es doch mit seinem Handy jederzeit kann, oder auf der Arbeit, oder in der Bibliothek oder zu Hause….nun das ist ein anderer Schuh. Das ist wie ein Alkoholkranker der immer ien Flasche Whisky in der Manteltasche hat.
Ach ja…wenn man mit deinen Selbsthilfetricks versucht wieder herr seiner selbst zu werden und es nicht schafft weil einen kein Außenstehender an der Leine hat, dann führt das zu einem Autotherapiemiserfolg.
Wenn dieser Patient dann in die Klinik oder zu einem Psychiater geht ist die Chance auch hier einen erneuten miserfolg zu erleiden deutlich hoher! Und jeder Miserfolg erhöht die Wahrscheinlichkeit weiterer Rückfälle.
Ich war auf jeden fall süchtig nach wow. Ich habe von ca. 2005- nov. 2011 gespielt und konnte nicht mehr ohne…es war eine harte Probe für die Beziehung, es gab viel streit und auch die nicht virtuellen freunde wandten sich ab von mir. Mir war das alles egal, dann habe ich ja mehr zeit für wow, so dachte ich damals. Ich war glücklich einen teilzeitvertrag zu bekommen und keinen vollzeit usw.. ich war glücklich, hatte viele neue freunde und erfolg. Wenn es mal nicht so klappte wurde ich leicht aggressiv und wehe das Internet ging mal nicht, ich wurde verrückt. Ich setzte mir ein Enddatum und zwar wenn mein kind auf die welt käme, denn ich wollte unter keinen Umständen mein kind vernachlässigen. Ende vom Lied ich hörte von einem tag auf den anderen auf im nov. 2011, habe mein kind im Oktober 2012 bekommen, bin immernoch mit meinem freund zusammen (ende 2014) wird geheiratet und habe meinen Freunden erzählt wie Mies die Sucht war und alles ist wieder gut. Ich bin froh das alles so gut verlaufen ist, hätte auch sein können das ich alles wichtige verliere. Ich will allen hoffnung geben und hoffe das es alle noch schaffen ein normales leben zu führen. Es ist so schön mit meiner Tochter zu spielen und ich muss mir um keine nicht vorhandenen Gegenstände gedanken machen oder arena wertungen (ich war vorallem arenasüchtig). Danke an alle die diesen ganzen text gelesen haben und ich hoffe ihr schafft es davon wegzukommen 🙂