Was mir schon lange im öffentlichen Diskurs extrem sauer aufstößt ist, wenn unsere Worthülsenfabrikanten der C-Parteien vom „christlichen Abendland“ und dessen Werten sprechen und so tun, als sei unser heutiger Lebensstil eine Errungenschaft des Christentums. Manchmal wird dazu auch der Begriff des „christlich-jüdischen Abendlandes“ benutzt, und keiner, wirklich keiner stellt jemals dieses Konstrukt in Frage, noch gibt er Kontra! Das ist einfach beschämend!
Unsere heutige Gesellschaft nämlich ist nicht das Ergebnis des Christentums, sondern der Überwindung des Christentums und seines Einflusses auf die Gesellschaft und des Staatswesens! Genau so und nicht anders ist es!
Wie eine wirklich christlich geprägte Gesellschaft aussehen würde, dazu muss man sich nur mal die katholische Kirche ansehen: die haben nach wie vor keine weiblichen Pfarrer, ein klares Frauenbild und sind extrem rückständig.
Nein, unsere heutige Gesellschaft ist vor allem ein Ergebnis der Renaissance, als beispielsweise Gelehrte wie Leonardo da Vinci trotz Verbots der Kirche damit anfingen, Leichen zu sezieren und so den menschlichen Körper besser zu verstehen, zu begreifen und damit die Grundlage für die Anatomie legten, die die Medizin dringend benötigt. Die heutige Gesellschaft ist ein Ergebnis der französischen Revolution, vor allem aber der Postulierung der Menschenrechte und eines weltanschaulich neutralen Staates.
Und gerade dieser geminderte Einfluss der Religion auf den Staat und damit der Wissenschaft machte es erst wirklich möglich, im Bereich der Wissenschaft ungeheure Fortschritte zu erzielen, von den wir heute alle profitieren. Wäre die Religion des Christentums nämlich nach wie vor einflußreich, dann hätten wir einen ziemlich rückständigen Staat und diese Entwicklungen kaum durchlaufen. Die wären vielleicht woanders passiert, aber sicherlich nicht bei uns!
Wenn also wieder jemand vom „christlich-jüdischen Abendland“ und seinen Werten spricht, die es zu verteidigen gilt, dann sollte man diesem Hohlschwaller mal mit der Wirklichkeit konfrontieren, dass unsere Werte hauptsächich heutzutage auf der Renaissance, der französischen Revolution mit all ihren Ideen und der Säkularisierung gründen, aber die Religion Privatsache ist.
Na, man muss schon Kirche, Religion und Glaube hübsch auseinanderhalten. Gemeint sind bei den C-Parteien ja „christliche Werte“, d.h. Moralvorstellungen.
Da wir allerdings nicht in einer Theokratie leben, sondern einer Demokratie, in der es auch noch zusätzlich eine vielbeschworene Trennung von Kirche und Staat geben soll, stimmt mich die Hinzuziehung von Glaubensinhalten (anstelle von Fakten) in der Politik eher mißtrauisch. Auch wenn man argumentieren könnte, dass politische Ideologien sich nur nominell davon unterscheiden.
Die Diskussion von Überzeugungen wird nahezu immer emotional geführt, nicht sachlich.
Das ich das noch erleben darf Danke, ein Thema mit Inhalt.
Ich sehe es nicht ganz so. Wo wir heute stehen, ist die Summe aller Einflüsse, diese gehen weiter zurück als Renaissance.
Das der Mensch versucht aus Fehlern zu lernen, zu verbessern und auch Schanken überwindet, ist die Voraussetzung gewesen. Die Religion ist dabei nicht ganz unerheblich gewesen, gab sie im wesendlichen den moralischen Kompass vor. In Zeiten ohne Gesetzgebung, in Zeiten der Auslegung.
Was der einzelne aus der Religion macht und sie anwendet sollte nicht als Prügelknabe im ganzen Dargestellt werden.
Eine Errungenschaft , die Trennung von Kirche und Staat. Das ist das Fundament für die Zukunft. Auch wenn uns das in Deutschland nicht bis ins kleinste gelungen ist.
Man darf aber gerne den Kirchen“vätern“ ins Buch schreiben, das sie in den 60’ern den letzten Mauerstein gelegt haben um zu verhindern das Frauen ein Bischofsamt einnehmen dürfen.
Bis zu diesem Zeitpunkt war es möglich diese durch eine Frau zu besetzen, mit der Einschränkung das sie keine religösen durchführen darf. Dieses Amt beinhaltet aber auch Verwaltungsangelegenheiten, diese hätte sie sehr Wohl ausüben dürfen.
Deinen Ausführungen zur Aufklärung stimme ich ja noch vorbehaltlos zu. Aber eine Säkularisierung im Sinne von Trennung Religion und Staat?
Da habe ich eine andere Meinung. Trennung von Kirche und Staat? Ja. Trennung von Religion und Staat? Definitionsfrage. Trennung von Glaube und Staat? Nur Bedingt.
Hintergrund, bzw. Grundlage meiner Meinung ist dass wir lediglich eine neue Religion und einen neuen Glauben eingeführt haben die wir nur nicht so nennen. Die zentrale „Religion“ der heutigen westlichen Welt ist die Demokratie. Alle Religionen waren in ihren jeweiligen Blütezeiten primär Gesellschaftsordnungen im besten Sinne des Wortes. Eine Rolle die bei uns die sogenannte Demokratie übernimmt. Was der Demokratie fehlt ist der spirituelle Aspekt.
Versuche mal in DE dich aktiv und mit Nachdruck in Wort, Schrift und Bild GEGEN die Demokratie einzusetzen. Du wirst Dein blaues Wunder erleben. Selbst die grundgesetzlichen Grundrechte finden sehr schnell ihre Schranken wenn es gegen die Demokratie geht. Kein Stück anders als früher die kath. Kirche.
Es gibt so manche neue Religion in diesem, unserem Lande. Aktuell ist es mehr die vom unbegrenzten Wirtschaftswachstum und dass dies gut für uns alle ist, so wie der unreflektierte Glaube an den Markt. Dazu kommt noch Merkels Geschwätz von der marktkonformen Demokratie, damit wird klar, dass der Markt für sie wichtiger als die Demokratie ist.
Wirklich zelebriert wird die Demokratie bei uns ja nicht, in den USA sieht das schon anders aus.
Eijeijei. Zwar ist die Mär vom unbegrenzten, sagen wir lieber stetigen, Wirtschaftswachstum in einem endlichen System Scharlanterie erster Güte, aber damit kratzt Du nun wirklich bereits am Katechismus.
Stetiges Wirtschaftswachstum ist in unseren System keine Frage des Wollens, sondern ein zwar unmögliches, aber gleichwohl zwingendes Muss. Wenn Dich diese Frage tiefergehend interessiert musst Du Dich mit den Schlagwörtern Debitismus und Zinseszins beschäftigen. Jedoch Vorsicht: Du landest dann sehr schnell bei bedrückenden Erkenntnissen die man eigentlich lieber nicht hat.
Tharkan, diese Erkenntnisse habe ich schon längst. Unser Wirtschaftssystem ist auf Dauer für den Planeten untragbar. Wir werden in diesem Jahrhundert eine andere Art des Wirtschaftens benötigen, eine nachhaltige Art, die eben nicht auf dauerhaftes Wachstum zielt.
Ich finde ja den Lesch dazu sehr erhellend: https://www.youtube.com/watch?v=HHFLsBdklh0
Der bringt das gut und allgemeinverständlich auf den Punkt, Zitat: „Einige Figuren des öffentlichen Lebens, die von Renditen sprechen, die würde man das ins medizinische übersetzen, also Vermehrungsraten der eigenen Zellen, wie das Bankpräsidenten von 25% reden, im eigenen Körper ist das hochgradig metastasierender Krebs. Es ist allen klar, wenn ich meine eigenen Prinzipien auf die Natur anwendete, dann wäre ich gar nicht mehr auf der Welt.“
Der gute Herr Lesch ist ein auf mich ausgesprochen sympathischer wirkender Wissenschaftler dem ich seinen Optimismus allerdings nicht abnehme. Analyse und Folgerung sind korrekt. Die Folgerung folgt dabei jedoch dem Prinzip Wunschdenken, oder, „es kann nicht sein was nicht sein darf“.
Ich glaube: Wenn wir Glück haben erledigt die Natur das Problem für uns mit einer überraschenden, sehr schnellen Vernichtung menschlicher Existenzen in erheblichen Umfang. Aus europäischen Blickwinkel vorzugsweise in Afrika, Größenordnung aktuell 300-400 Millionen, je vergehende Dekade plus 200 Mio. zusätzlich. Wenn wir diese Glück nicht haben erwarte ich massivste Kriege in Afrika welche uns nicht den Gefallen tun werden am Mittelmeer zu stoppen. In diesem Krieg würden die Europäer nachhaltig vernichtet, wir würden nicht länger existieren.
Die von Leusch (humanistisch verständliche) Lösung des globalen Ausgleichs würde selbst bei einer allgemeinen Akzeptanz mehr Zeit benötigen als wir noch hätten. Und die allg. Akzeptanz ist zudem unrealistisch.
Das Welt-BIP betrug 2013 ca. 74 Billionen $, also rund 10.300,- $ je Kopf. Gleichmässig verteilt entfiele auf DE eine Gesamtsumme von etwa 830 Mrd. $, das ist weniger als 1/4 unseres heutigen BIP. Würdest Du, würde irgendjemand in DE bereit sein sich mit einem Viertel des heutigen zu bescheiden? Und zwar in jeder Beziehung nur noch ein Viertel, nicht nur beim Einkommen, sondern auch bei Bildungsausgaben, Medizinischer Versorgung usw. usf.
Demokratisch nicht durchsetzbar, wahrscheinlich nicht mal diktatorisch. Und genau aus diesem Grund spielt die Musik auf der Titanic weiter und wir alle beten, dass dieser Kelch erst die nach uns trifft und wir selbst noch friedlich die Reise ins Jenseits angetreten haben wenn’s zum Knall kommt.
Also so rosig, finde ich, sieht Lesch die Zukunft nun auch nicht. Er geht ja u.a. davon aus, dass Spanien, Portugal, Griechenland so wie große Teile Italiens unbewohnbar werden, weil es ganz einfach zu heiß dort sein wird, um dort dauerhaft zu leben. Ebenso geht er von steigender Wasserknappheit aus, einer Bevölkerungsexplosion in Afrika und massiven Flüchtlingsströmen von Afrika nach Europa, gegen die die jetzigen noch gar nichts sind.