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Ich habe gelesen: „Wolfsbraut“ von Chris Dell

Ich habe neulich den ersten Teil des Romanzyklus „Nemesis“, nämlich „Wolfsbraut“ von Chris Dell gelesen. Chris Dell ist ein Pseudonym für einen Autor, der hauptsächlich im BDSM-Bereich angesiedelte Romane schreibt. Diese sind auf seiner Homepage kostenlos als PDF; teilweise auch als illustriertes PDF, verfügbar und erfreuen sich offenkundig in der Szene recht guter Beliebtheit.

Das Thema ist der Sadomasoschismus, naja ein starker Anteil daran. Der Autor will keine große Literatur schreiben, das sagt er in seinem Vorwort, sondern anregende Geschichten und ein paar ernstere Betrachtungen provozieren. „Wolfsbraut“ selber ist ein Sado-Maso-Roman, und soll eher entspannend als stressig sein, aber gerne anregend.

Das sind schon immerhin gewisse Ansprüche, die der Autor an sich stellt und erfüllen will.

Worum geht es um Wolfsbraut? Kurz gesagt ist die Grundgeschichte das Märchen vom hässlichen Entlein, das unerwartet seine Erfüllung findet und dann zum stolzen Schwan mutiert, der mit sich und seiner Welt im Einklang ist.

Es geht dabei um eine Jurastudentin namens Michelle, die durch den Kontakt zu einer besonderen Frau mit BDSM in Berührung kommt, in die Szene eintritt, einen knapp 20 Jahre älteren Mann kennenlernt, der sich zu ihrem Herrn macht und sie nach und nach nach seinen Wünschen umgestaltet. Das Umgestalten ist dabei wörtlich zu nehmen, er nimmt diverse Körpermodifikationen an ihr vor, wie beispielsweise eine Brustvergrößerung, künstliche Versteifung einiger Finger, ein dauerhaftes Korsett und andere Dinge.

Michelle, die als Jurastudentin anfing, findet dabei ihre Bestimmung und in dem Lebensstil ihre Erfüllung, und am Ende heiratet sie ihren Jürgen von Denkwitz als „Fetischding.“ Es gibt auch einen gewissen Vorher-Nachher-Moment, denn vorher kämpfte sie für Frauenrechte, und als sie nach der Wandlung erneut auf ihre alten Studentenfreunde trifft, ist ein Teil schockiert aber ein unscheinbarer Junge, mit dem sie anfangs nicht viel anfangen konnte, entwickelt sich selbst zum Dom und macht seine Freundin Babettte, die ebenfalls devot ist, zu seiner Sklavin.

Naja.

Also was halte ich von dem Roman? Es gibt manche Leute, die sehen ihn als eine Art Erfüllung und Offenbarung an, aber wird er wirklich diesen Ansprüchen gerecht?

Nein.

Die Geschichte ist einfach viel zu glatt, viel zu konstruiert und viel zu vorhersehbar, als dass sie das sein könnte, sie ist nicht einmal wirklich anregend. Das, was man geboten bekommt, ist bestenfalls auf dem Niveau eines schlechten Groschenromans – mehr aber auch nicht.

Das einzig Gute an der Sache ist, dass das PDF kostenlos verfügbar ist, denn hätte ich ernsthaft dafür Geld ausgegeben, dann hätte ich mich darüber wohl geärgert. Der Teil 2 des Nemesis-Zyklus, „Tollwut“, behandelt dann eine andere Geschichte einige Jahre nach „Wolfsbraut“, in der es im Grunde aber auch wieder um das Coming Out und seine Folgen geht – und wirklich besser und anspruchsvoller ist diese Geschichte nun auch nicht.

Nach dem Lesen der ersten beiden Teile ist mir jedenfalls die Lust auf den Rest eindeutig vergangen.

Was ist eigentlich eine Kampfsub?

Da ich es ja gerade damit hatte, mal einige Gedanken zum Thema „Kampfsub“ und was ist das denn nun schon wieder bitte genau? Also… wie so oft, gibt es auch hier keine wirklich anerkannte einmalige Definition, sondern eine ganze Palette an unterschiedlichen Meinungen.

Man kann’s aber vielleicht mit Pferden vergleichen: die lammfrommen Pferde kann jeder problemlos führen und reiten. Dann gibt es aber auch die Abteilung der eigenwilligen Pferde, die nicht einfach zu führen sind, oft mit zum Besten gehören, was die Zucht zu bieten hat, aber das eigenwillige Pferd nur derjenige, der des Reitens eben auch wirklich mächtig ist. So.

Das bedeutet, im Fall der Kampfsub ist es nicht nur einfach ein „ich prüf den nun und irgendwann vielleicht unterwerfe ich mich und bin lammfromm“, sondern mehr ein „ich will zunächst wirklich genau wissen, dass der auch für mich der Richtige ist und danach gebe ich die Katze.“ Was nichts anderes bedeutet, als dass man immer mit einer gewissen Widerspenstigkeit rechnen kann, wie bei einer Katze, die mal schmusen will aber auch einmal die Krallen ausfährt, und so wird das immer ein wechselseitiges Spiel geben.

So, nun ist auch das eine Spielart des menschlichen Zusammenlebens, über die man keinesfalls pauschal den Stab brechen sollte, denn wie so oft gibt es auch genügend Leute, die daran ihren Gefallen finden und als Topf die Auswahl zwischen mehreren Deckeln haben. Erlaubt ist, was gefällt und ich sehe den Begriff auch nicht als negativ an. Er ist es nicht, er ist erst einmal nur eine Beschreibung einer besonderen Spielart, nicht mehr, nicht weniger.

Ein Problem dabei ist aber, wenn für den ständigen Machtkampf jedwedes gesunde Augenmaß dafür fehlen sollte, was nun noch wirklich geht und Spaß macht und was nicht und sich das stark ins Extrem verkehren sollte. Denn damit wird es dann eben schwer und ggf. hat jemand, der es überzieht sehr schwer, dann noch Anklang zu finden. Natürlich bleiben ja auch längst nicht alle auf einem Stand stehen, der Mensch entwickelt sich ja ständig weiter und so wird das auch hier passieren.

Nun ist ja auch RP – und Gor ist da keine Ausnahme – auch immer Datingkarussell. Viele gingen mit dem Vorhaben rein, jemanden für sich zu finden, andere gingen ohne dieses Vorhaben rein aber fanden wen. So. Nun gibt einem der ideologische Unterbau von Gor einem eine recht strikte Gesellschaftsordnung vor, die nach dem Motto „Solange du nicht zu stark aneckst, solange lebst du länger“ funktioniert, eben das Recht des Stärkeren. Und das Recht des Stärkeren bedeutet dann in dem Fall, dass man je nachdem, welche gesellschaftliche Stellung man innehat, solche Touren möglicherweise nicht lange unversehrt übersteht oder gar überlebt, wobei das noch immerhin eine Beschäftigung mit einem darstellt. Die einfachste und wirkungsvollste Methode, zu der dann aber viele in einem solchen Falle greifen, ist das Ignorieren der Person und Ausblenden aus dem RP.

Das ist eben der Grund, warum jemand der wirklich so ticken sollte, dann beispielsweise die Kajira im Rollenspiel gibt und es dabei gehörig übertreibt, es dann doch recht schwer haben wird, denn gerade diese überbordende Widerspenstigkeit ist mit dem, was eine Kajira eigentlich ausmacht nur schwer vereinbar, wenn überhaupt. Panthermädchen wäre da schon eher passend, aber dann wieder auch nicht so wirklich.

Und das ist das Problem an der Sache: Normans Welt lässt für diesen Typus devoter Menschen nur wenig Existenzberechtigung übrig, wenn sie es denn zu dolle treiben sollten, Recht des Stärkeren und so, wissen schon. Nicht, dass es ihn nicht geben mag, aber wenn man es wirklich probieren will, dann wird die Luft da doch schon arg, arg dünn weil die restliche Gemeinschaft meistens anders darauf reagiert, als man es sich selber erhofft. Und fertig.