WoW und sein Problem mit den Bots
Die für viele treibende Motivation von WoW ist der Mensch in seiner Eigenschaft als Jäger und Sammler, kaum hat man im Endlevel 85 irgendeinen schönen Gegenstand erreicht, so sieht man möglicherweise an einem Mitspieler oder aber auf einer Webseite oder im Auktionshaus, dass es noch bessere Gegenstände gibt und schon ist das Jagdfieber neu entfacht.
Die Währung, mit der alle letztendlich für die Optimierung der eigenen Ausrüstung bezahlen, ist und bleibt die Zeit. Einige haben davon mehr, andere davon eben weniger übrig, die Faustregel ist aber je mehr Zeit man reinstecken kann, desto schneller kann man natürlich die eigene Ausrüstung optimieren, etwas Glück muss auch dabei sein und wenn ein paar Freunde mithelfen, dann schadet das auch nicht. Im Auktionshaus kann man zwar für gutes Gold relativ gute Gegenstände auch so ersteigern, aber die richtig dicken Dinger gibt es niemals dort, weil diese ganz einfach schon beim Aufheben seelengebunden sind, also nicht an andere Spieler weiter gegeben werden können.
WoW hat damit pro Realm also auch eine wie auch immer ausbalancierte Wirtschaft vorzuweisen, denn man braucht einfach überall und ständig Gold, wenn man mithalten und spielen will, und sei es nur für die Reparatur kaputter Waffen (die Gilde übernimmt das nur bis zu einem gewissen Betrag). Um an Gold zu kommen gibt es nun verschiedene Wege: man kann einen Sammelberuf (Jargon: Farmberuf) wie Kürschnerei, Bergbau oder Kräuterkunde ergreifen, sammelt dann fortan möglichst hochwertige Materialien (Jargon: Mats) und verkauft diese im Auktionshaus. Beim Verkauf im Auktionshaus aber gilt eben auch, dass sich erstmal ein Käufer finden muss und für viele, gewöhnliche Materialien wird es das einfach nicht wirklich geben. Je seltener und schwerer zu beschaffen, desto teurer natürlich der Preis, den man pro Einheit verlangen kann.
Natürlich kann man auch einen verarbeitenden Beruf wählen und so möglichst hochwertige Objekte herstellen oder Dienstleistungen wie Verzauberkunst anbieten, die hoffentlich ebenfalls häufig benötigt werden und gutes Gold einbringen. (Ein wesentlicher Unterschied zum Gold im Vergleich zum Linden Dollar besteht darin, dass man Gold nicht direkt bei Blizzard in Euro oder US$ tauschen kann. Gold ist als reine in game Währung vorgesehen, die nicht konvertierbar ist. Das hält aber manche Firmen nicht davon ab, einem gegen Zahlung von gewissen Beträgen in game Gold zuzustellen. Bei Diablo III übrigens verfolgt Blizzard mit dem Echtgeldauktionshaus einen anderen Ansatz.)
Wie es der Name aber schon sagt, benötigen verarbeitende Berufe Materialien, die bei der Ausübung des Berufs verbraucht werden. Viele wählen dabei entweder eine Kombination aus passendem Sammel- mit Verarbeitungsberuf (beispielsweise Bergbau und Schmiedekunst oder Kräuterkunde mit Alchemie), andere üben nur zwei Sammelberufe aus während andere wiederum alle Materialien grundsätzlich entweder im Auktionshaus besorgen oder sich mit Hilfe von Nebencharakteren (in SL gerne als Alt bezeichnet, deutscher WoW-Jargon: Twink, englischer WoW-Jargon: Alt) erarbeiten.
Sammelberuf darf man dabei wortwörtlich verstehen: man reist mehr oder weniger planvoll durch die Gegend, wo das Objekt vorkommt und hofft, dass man es ernten kann. Beispielsweise braucht man für viele hochwertige Alchemierezepte Schattenjasmin, der nur zu einer gewissen Anzahl im Schattenhochland vorkommt oder aber Flüchtige Luft, die man wiederum in der Instanz Vortexgipfel bekommt oder bei einer gewissen Stadt in der Region Uldum, wenn man da gewisse NPCs reihenweise genügend umhaut. Bei einer Wahrscheinlichkeit des Fallenlassens dann von 12% etwa kann man sich ja ausrechnen, wie lange das beispielsweise bei flüchtiger Luft dauert, bis man dieses Objekt zehn mal geerntet hat, wenn ein toter NPC von dem begehrten Gegenstand dann irgendwas meinetwegen im Bereich 0-3 hat, und die NPCs muss man auch erst alle finden und sich ggf. zu denen durchkämpfen. Das dauert einiges an Zeit.
Die einfache Faustformel beim Verkauf im Auktionshaus ist auch hier: je langwieriger der Sammelprozess, je schwieriger zu bekommen, desto höher der Preis pro Einheit. Logisch!
Nun beginnt aber das eigentliche Problem an der Sache: viele Sammelberufe in WoW sind eine gigantische Time Sink, mit irgendwas will schließlich Blizzard ja die Mitspieler möglichst lange ans Spiel binden, das ist eine der Maßnahmen dazu (übrigens hat im letzten Quartal WoW 1,1 Millionen Abonnenten verloren, es sind bald drei Millionen weniger als das Maximum von 12 Millionen). Time Sinks kommen vor allen den Leuten entgegen, die sehr viel Zeit zur Verfügung haben, die sie ins Spiel investieren können (beispielsweise Senioren, Hausfrauen, Schüler usw.). Der Rest, der die Zeit dazu eben nicht hat, der kauft sich dann das Zeug mittels Gold im Auktionshaus und so haben beide was davon, soweit jedenfalls die Theorie.
Das Problem liegt aber dann oft darin, dass der Rest keinerlei Ahnung hat, wie er erstmal die notwendige Goldmenge für die begehrten Objekte erarbeiten soll. Manche lassen es einfach bleiben, schließlich wird in WoW keiner gezwungen solch einer Arbeit nachzugehen, andere wiederum aber freuen sich dann darüber, dass es eine sehr stark ausgeprägte Dienstleistungsindustrie rund um WoW gibt, die sich genau auf das Beschaffen von Gold und mehr spezialisiert hat. Beispielsweise gibt es die Firma Randy Run, die einem gegen Zahlung harter Euronen in WoW alles Mögliche nur zu gerne besorgt, und die sind nicht die einzige Firma dieser Art.
Eine andere Möglichkeit, die dann aber auch viele nur zu gerne nutzen, ist der Einsatz von Bots. Ein Bot ist wie in Second Life einfach ein Programm, das gewisse Aufgaben anstelle eines Menschen erfüllen kann. Bots gibt es zuhauf und man kann diese meistens bei Firmen gegen Zahlung einer monatlichen Gebühr mieten (typischerweise im Bereich von 15-20 Euro).
Ein moderner Bot macht dabei alles rund um die Uhr und automatisch, was das Herz begehrt: er geht automatisch für einen von Level 1-85 questen, man muss da gar nichts tun außer abwarten bis er durchgerast ist und hat nach ein paar Tagen den neuen Charakter dann zur Übernahme zur Verfügung, ebenso kann man dem Bot aber auch auftragen, dass er für einen auf PvP-Schlachtfelder geht und da kämpft.
Damit gehen die Probleme auch schon los, ein Bot ist zwar natürlich mehr oder weniger dumm und arbeitet immer dieselben Befehle ab, aber auf Schlachtfeldern gibts zur Belohnung Punkte. Diese Punkte sammeln sich dann an, natürlich hauptsächlich für Siege, und man kann sich damit in den Hauptstädten mächtige Rüstungsteile und Waffen kaufen. Gegen einen gut ausgerüsteten Bot im PvP dürfte man es schwer haben, weil er ganz einfach sehr viel schneller als ein Mensch reagiert. Das ist also unfair.
Weiter gibt es aber auch für viele Bots einen Farmmodus, also der Bot tut dann den lieben langen Tag nichts anderes als durch die Gegend ziehen und möglichst hochwertige Materialien zu sammeln. Das wird von Blizzard natürlich noch weniger gerne gesehen, weil es die Wirtschaft massiv verzerrt. Diese Materialien landen dann oft in rauen Mengen zu wenn nötig auch billigen Preisen im Auktionshaus und sorgen dafür, dass der Rest es schwerer hat, selber noch diese Materialien zu sammeln. Das Problem an einem Farmbot ist einfach, dass dieser 24 Stunden lang aktiv sein kann während ein Mensch ja auch seinen Schlaf benötigt, und ständig und überall alle wertvollen Gegenstände abernten kann, so dass ein Mensch nur noch wenig Chancen hat, selber mal einen zu erwischen.
Nun ist die Community, was den Einsatz solcher Bots angeht, zwiegespalten: die überwiegende Mehrheit sieht sie einfach nur als ständiges Ärgernis an und ist froh, dass Blizzard dann als Hersteller die daran hängenden Accounts regelmäßig und dauerhaft sperrt. Übrigens eine Tatsache, auf die viele Hersteller von Bots dick und fett hinweisen, dass Automatisierung gegen die AGBs von Blizzard verstößt und genau das nach sich ziehen kann.
Es gibt aber auch eine gewisse Anzahl an Spielern, die eben diese Bots mit dem Argument einsetzt, dass sie eben auch gerne an den richtig geilen High Level Content rankommen wollen, eben auch richtig viel Gold haben wollen, aber wegen Beruf/Kind/Kegel einfach nicht die Zeit haben, sich nun das alles selbst zu erarbeiten und genau daher diese Bots brauchen. Sie sehen den Einsatz dieser Bots als legitimes Mittel an, mit dem Rest der Spieler (der dann oft in ihren Augen viel zu viel Zeit und viel zu wenig Leben hat) mithalten zu können und geben nur zu gerne Blizzard die Schuld dafür, dass sie solche Bots wegen der vielen Time Sinks eben einsetzen müssten, um eben mit dem Rest wirklich mithalten zu können. (Natürlich wird kein Mensch dazu gezwungen, aber in der Tat sehen das viele Botbenutzer eben genau so, denn irgendwie muss man ja auch die Kosten des Einsatzes vor sich selbst rechtfertigen, 15 Euro für einen Bot und 13 Euro monatlich für WoW ist ja auch nicht mehr gerade ganz billig).
Anders gesagt: mit der Progarmmierung und dem Betrieb solcher Bots kann man einiges an Umsätzen erwirtschaften. Eine Firma in Deutschland beispielsweise, die das tat, ist die Bossland GmbH in Dresden. Diese betrieb Bots und am Ende hat Blizzard alle Accounts der Firma eben gesperrt. So weit, so gut.
Aber nun kommt das Interessante: natürlich hat die Bossland GmbH kein Interesse daran, klein beizugeben und sich diesen Geschäftsbereich so „ruinieren“ zu lassen, also hat diese gegenüber Blizzard eine Klage eingereicht. Die Klageschrift ist als PDF hier öffentlich von Bossland selber publiziert worden.
Wenn man sich die Argumentation durchliest – das Verfahren läuft noch – dann beschert das einem gewisse Aha-Momente: beispielsweise, dass Blizzard eine deutsche Niederlassung in München hat, und genau diese wurde mit verklagt.
Die Hauptargumentation der Klageschrift ist dabei recht einfach und kurz zusammengefasst diese: da dem Benutzer beim Abschluss des Vertrags mit Blizzard deren Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht in gesetzmäßig vorgeschriebener Form zur Verfügung stünden, könnten diese folgerichtig nicht Bestandteil des Vertrags mit Blizzard sein.
Wenn sich das Gericht dieser Argumentation anschließen würde, dann wäre die einfache Folge diese: das Löschen von Accounts deutscher Botbetreiber wäre bisher rechtswidrig gewesen und diese müssten reaktiviert werden. Als Folge einer solchen Entscheidung würde Blizzard entweder ziemlich sicher Rechtsmittel einlegen oder aber die AGBs gesetzeskonform dem Benutzer bei Vertragsabschluss zur Verfügung stellen, sofern das nicht ohnehin schon inzwischen abgeändert worden ist, die Klage datiert vom Januar 2012.
Ob nun die Argumentation der Klagenden schlüssig ist oder nicht, ich habe da keine Ahnung und kann es auch nicht beurteilen. Es ist jedenfalls aber ein äußerst interessanter Rechtsstreit, der da gerade statt findet und die Mehrheit der Community hätte sicherlich absolut kein Problem damit, wenn alle Bots ein für allemal endlich verschwinden würden. Machbar mag es sein, aber wie wir ja alle aus Second Life wissen ist das immer letzten Endes ein Wettlauf zwischen Hase und Igel, so schnell wird man sie leider nicht los werden.