Der Hype-Zyklus von Gartner und Rollenspielgruppen
Im Bereich der Technologie gibt es seit 1995 den durch die Gartner-Beraterin Jackie Fenn geprägten Begriff des Hype-Zyklus. Was ist darunter zu verstehen und welche Folgen kann man daraus schließen? Schauen wir uns zuerst einmal eine Grafik eines typischen Hype-Zyklus an (Bild von Wikipedia):
Die Phasen gliedern sich darin wie folgt:
- Der Auslöser/Beginn einer Technologie. Die Aufmerksamkeit ist riesig, die Erwartungen steigen ins Unendliche und alles scheint möglich.
- Der Gipfel der überzogenen Erwartungen markiert den Höhepunkt der Entwicklung – maximale Aufmerksamkeit bei total überzogenen und umöglichen Ideen.
- Das Tal der Enttäuschungen markiert den Tiefpunkt der Entwicklung. Das öffentliche Interesse ebbt radikal ab, viele Trittbrettfahrer und sonstige Personen verlassen das Projekt.
- Der Pfad der Erleuchtung – die Berichterstattung nimmt leicht wieder zu, es entsteht erst jetzt ein Verständnis für die realistischen Chancen, aber auch Grenzen der neuen Technologie .
- Das Plateau der Produktivität – die Vorteile der Technologie werden nun allgemein anerkannt und akzeptiert. Die Endhöhe des Plateaus hängt davon ab, ob man einen Nischen- oder Massenmarkt bedient.
Nun lässt sich diese Kurve auf vielerlei Gebieten anwenden; auf Second Life bezogen befinden wir uns momentan wohl gerade in der vierten Phase, dem Pfad der Erleuchtung. Was daraus werden wird, das bleibt abzuwarten.
Diese Kurve lässt sich aber nicht nur auf Technologien, sondern auch mehr oder weniger auf andere Bereiche, wie zum Beispiel Rollenspiel und dessen Gruppierungen anwenden. Zuerst ist die Idee da, irgendein Rollenspiel aufzuziehen. Alle sind davon total begeistert, es werden Pläne noch und noch geschmiedet, womöglich viel darüber berichtet, zumindest aber die Mundpropaganda nimmt stark zu und man kann sich erst einmal vor Zulauf kaum retten. Dies ist eine kurze, umso heftigere und stürmische Phase.
Dann ist man auf dem Gipfel der überzogenen Erwartungen angelangt, die Gruppe erreicht ihre maximale Größe und scheint vor Kraft nur zu strotzen. Problem entstehen, viele merken, dass auch hier das Gras doch nur Grün ist und das mündet im Tal der Enttäuschungen. Es verläuft sich, viele kommen einfach nicht mehr wieder oder verlassen die Gruppe und man ist nun beim harten Kern der Gruppe angelangt, bei den Leuten, mit denen man wirklich auf Dauer arbeiten kann.
Diese setzen sich dann zusammen und müssen für sich einig werden, wie das spezifische Rollenspiel an sich aussehen soll und wer dabei alles mitmacht. Das ist der Pfad der Erleuchtung, profaner auch Konsolidierungsphase genannt. Man erkennt die Möglichkeiten, aber auch Grenzen des eigenen Settings/Gruppe und lotet die Möglichkeiten aus.
Am Ende führt das dann zum Plateau der Produktivität, oder anders gesagt zu einer gefestigten Rollenspielgruppe. Man hat erkannt, wo die Gefahren und Risiken aber auch Chancen der Gruppe liegen, trifft die richtigen Entscheidungen und hat nun so hoffentlich einen dauerhaften Betrieb gesichert.
Von der ersten bis zur letzten Phase vergeht auch einige Zeit; das Plateau der Produktivität haben diverse Gruppen meistens nach drei bis sechs Monaten erreicht. Vorher ist dies kaum möglich, und es vergeht zu viel Energie auch möglicherweise für interne Graben- und Richtungskämpfe. Natürlich muss man das Plateau der Produktivität durch geeignete Maßnahmen auch halten können, man kann eine Gruppe so noch immer gegen die Wand fahren, aber dazu gehört dann schon einiges.
Was für Schlüsse kann man aber aus dem Hype-Zyklus nach Gartner für sein eigenes Lieblingsprojekt ziehen? Vielleicht diese: man braucht einen langen Atem, man sollte von Anfang an mit einer Kerntruppe von mindestens fünf Personen antreten, die auch bereit sind, lange Zeit fast unter sich zu sein und Präsenz zu zeigen, denn gerade im Tal der Enttäuschung wird es erst einmal verdammt einsam – und die Finanzierung der Spielstätte sollte von Anfang an auf soliden Beinen stehen und nicht von Mieteinnahmen oder anderen Gruppen auf der Sim abhängig sein. Wenn man sich von Mietteinnahmen Dritter abhängig macht, dann läuft man starke Gefahr, sich und seine Ideen für die Mieter verbiegen zu müssen, bis womöglich am Ende nicht mehr viel davon übrig ist.
Wer dies berücksichtigt und eine Rollenspielgruppe gründen will, der ist auf einem guten Weg, seine Anstrengungen auf ein solides Fundament zu stellen mit der Möglichkeit, dass diese Gruppe dann über Jahre hinweg aktiv ist. Aber bis man das Ziel – eine aktive und stabilisierte Rollenspielgruppe ohne die üblichen Gruppenhüpfer – erreicht hat, braucht man Geduld und einen langen Atem.
Viele Gruppen planen und denken nicht soweit im Voraus und lösen sich dann spätestens im Tal der Enttäuschungen sehr schnell wieder auf. Das ist einer der wesentlichen Gründe für die starke Fluktuation bei den Gruppenneugründungen.