Es gibt eine Sache, die ich in all den Jahren meines mehr oder weniger aktiven Rollenspiels in Second Life nicht verstehe, die mit der Einstellung vieler Spieler quer durch alle Rollenspielwelten zu tun hat und dort anzutreffen ist.
Wer eine Rolle spielt und sich dafür eine Hintergrundgeschichte (Dark Urban, Mittelalter usw.) ausgesucht hat, der muss sich doch zumindest ein bisschen mit dieser auseinander setzen und seine Rolle entsprechend gestalten, dass sie in das Szenario hinein passt.
Aber genau das ist es, was viele Spieler trotz aller möglichen Beteuerungen nicht bringen wollen. Sie wollen einfach irgendwas spielen, dehnen, biegen und brechen das Szenario, so dass es kracht und sind mit ihrer Freestyleinterpretation höchst zufrieden. Mehr noch, wenn dann andere die eben ein einigermaßen akkurates Einhalten des Szenarios vorziehen, darauf pochen, dann schreit diese Spezies an Freestylespielern immer sofort lautstark nach Toleranz und fühlt sich ach so diskriminiert, wenn sie diese Toleranz eben nicht bekommt.
Die einfache Frage, die ich mir bisher nicht beantworten konnte, ist dabei: warum ist das so? Was ist daran wirklich so schwer, wenn man denn vorhat eine Rolle zu spielen diese auch so zu spielen, dass sie in’s Szenario passt? Das ist eine der Grundvoraussetzungen für ein gutes, gemeinsames Rollenspiel und nun wirklich nicht weiter schwer.
Zudem gehen gewisse Rollen immer, wie der fahrende Händler, Reisende usw. – da muss man nicht zu viel nachdenken, einfach Avatar gestrickt und rein ins Vergnügen.
Aber das war schon immer so, ist so und wird so immer bleiben. Warum das so ist? Ich habe da keine Ahnung, es muss wohl ein kulturelles Phänomen sein. Oder so etwas in der Art.
Das Lied der Toleranz wird meistens von denen geschwungen die selber nicht bereit sind so tolerant sind andersdenkende zu akzeptieren.
Ich kenne das auch sehr gut, diese Freestylerollenspieler sind kaum bereit anders Denkende genauso zu akzeptieren, die nicht ihrem Weltbild zu entsprechen.
Die Fehlannahme ist es, dass man es in einem öffentlichen RP-Umfeld ausschließlich mit Rollenspielern zu tun hat. Da gibt es aber ebenso Fantasy- und Fictionfans, die sich einfach zurücklehnen und bespaßen lassen wollen, wie diejenigen, die nur sogenannte Single-Player RPG-Spiele kennen oder solche, die RP als Mittel zum persönlichen Stress- und Aggressionsabbau verstehen oder nur in einer virtuellen Gaststädte einen heben gehen wollen, ohne am nächsten Morgen mit einem Kater aufzuwachen.
Bei weitem nicht jeder ist sich bewusst, dass es um Gruppenspiel geht und dieses zumindest einen gewissen Konsens erfordert.
Hinzu kommt ein gerütteltes Maß an fehlgeleitetem Freiheitsdenken, Selbstverliebtheit und Individualismuskult, was schlicht dem Zeitgeist entspricht. Wenn ich an dem Spiel von anderen teilhaben möchte, dann muss ich mich entweder den bestehenden Rahmenbedingungen (Setting, Sim-Regeln, Gegebenheiten usw.) fügen, wenn ich das nicht will, woanders hin gehen oder gar mein eigenes Ding aufziehen (und dabei mal die Problemstellung von der anderen Seite kennenlernen).
Aber die allzu weit verbreitete Erwartungshaltung, dass die (Spiel-)Welt ja nur auf mich gewartet hat, sich folglich gefälligst alle nach mir zu richten haben und jeder der meinen Ansichten widerspricht eine Knalltüte und prinzipiell schon nicht ernst zu nehmen ist, funktioniert einfach nicht auf Dauer.
Das ist mir schon klar, aber ich sehe das so: es sollte selbst dem genrefremdesten und „laienhaftesten“ Spieler überhaupt klar sein, dass es eine verdammt dumme Idee ist, Darth Vader in Tolkiens Mittelerde herum spazieren zu lassen. Es sei denn, man macht explizit ein Crossover.
Die Frage ist wohl eher nicht, ob es dem Spieler klar ist. Die Frage ist eher die nach seinem Anspruch damit durchzukommen, weil es ja >er< ist, der dies tut.