Aktuell bin ich in Facebook aktiver als früher und lese da auch häufig die diversen Veröffentlichungen anderer in ihrer Zeitleiste. Jean Remy von Matt bezeichnete vor einigen Jahren Blogs als die Klowände des Internets und Facebook ist da absolut nicht besser.

Nun war es ja schon immer groß in Mode, sich vermeintliche Minderheiten zu suchen, auf die man meint folgenlos und nahezu beliebig eindreschen zu können und das ist auch bis heute der Fall. Angeblich gebildete Mitbürger entblöden sich da nicht, in Facebook beispielsweise so etwas zu veröffentlichen und dann bekommt das auch noch viel positive Anerkennung:

griechen

So. Ganz früher waren es eben die Juden, später dann die Polen, Türken, nun die Bulgaren und Rumänen sowie die Griechen. Griechenbashing ist in Mode, es ist gesellschaftlich akzeptiert und all die Leute, die da mitmachen, schalten ihr Hirn kaum mal an, um wirklich darüber nachzudenken, was sie da eigentlich verzapfen.

Die Griechen jedenfalls sind uns in einer Hinsicht weit voraus: die haben eine Regierung, die tatsächlich was für das Volk bewegen will und auch so handelt. So etwas kennen wir wohlstandsfaulen Deutschen schon seit Jahrzehnten nicht mehr, wir hätten es zwar sehr gerne, aber wenn wir das schon nicht haben, dann gönnen wir das den anderen erst recht nicht und reißen die lieber weiter in den wirtschaftlichen Abgrund.

Die Austeritätspolitik, also das von der EU angeordnete Kaputtsparen Griechenlands, ist gescheitert. Das Land liegt wirtschaftlich am Boedn und ist ein einziger Trümmerhaufen. Es gibt Studien, die besagen, die wirtschaftlichen Schäden durch die Sparpolitik in Griechenland sind mit den wirtschaftlichen Schäden des Kaiserreichs durch den 1. Weltkrieg vergleichbar und das will was heißen.

Natürlich haben die Griechen in ihrer Vergangenheit nicht alles richtig gemacht, aber das haben wir Deutsche auch nicht. Allerdings verdient jedes Volk eine würdevolle Behandlung und wünscht sich diese. Die Hetzkampagnenberichterstattung, die in deutschen Medien seit Jahren über die Griechen wie ein Sturmgeschütz hinweg prasselt, hat jedenfalls ihre Wirkung nicht verfehlt, denn getreu dem Motto „man muss nur lange genug mit Schmutz werfen, dann bleibt selbst auf der weißesten Weste irgendwann ein Fleck hängen“ hat man auch hier erfolgreich agitiert, Spindoctoring betrieben und gearbeitet. Vor allem den Neidreflex hat man erfolgreich angebohrt und instrumentalisiert, dass die Deutschen ja wieder mal der Zahlmeister Europas seien und man den Griechen für nichts Geld in Arsch schieben würde, aber bei uns fehle das Geld zum Straßenerhalt. Haha, so einfach ist die Welt eben nicht, aber so einfach machen sich inzwischen viele Menschen ihr Weltbild und sind furchtbar zufrieden als freiwillig hirnbefreites, gleichgeschaltetes Empörungsvieh für unsere Politiker und die dahinter Mächtigen.

Als im Jahr 2009 die „Schuldenkrise“, die in Wirklichkeit eine Finanz-, Banken- und massive Strukturkrise der EU nach wie vor ist, begann, wurden den Griechen massive Auflagen gemacht, damit sie durch sparen irgendwann wieder von den Staatsschulden runter kämen. Klingt harmlos, ist es aber nicht, denn es war und ist nichts anderes als die Plünderung der griechischen Infrastruktur durch Privatisierungen und massive Ausbeutung und Verarmung der griechischen Bevölkerung.

Wie sah nun das Sparprogramm so aus? Privatisierung von Staatseigentum, massive Lohnsenkungen im öffentlichen Sektor verbunden mit massiven Steuererhöhungen bei gleichgebliebenen Lebenshaltungskosten. Die Troika gab den Griechen dann Kredite, die diese benutzten, um die Schulden bei den europäischen Banken zu tilgen. Das griechische Volk hat von den Krediten rein gar nichts.

Es gibt bei der Betrachtung von Staatsschulden zwei wichtige Kennziffern, nämlich die Schuldenquote und die Schuldensumme. Die Schuldenquote ist dabei die Summe der Staatsschulden in Relation zum Bruttoinlandsprodukt. Je höher die Quote, umso schwieriger ist es, die zu senken und desto mehr Geld geht jedes Jahr vom Staatshaushalt tendenziell für den Schuldendienst drauf. Die Quote ist dabei von zwei Faktoren abhängig, nämlich der Höhe der Schulden als solche als auch der Wirtschaftsleistung im Inland.

Im Jahr 2009 betrug die Staatsverschuldung 299,69 Milliarden Euro (Quote: 129,69%) und 2014 318,35 Milliarden Euro (Quote: 174,7%). Das bedeutet nichts anderes als ein Totalversagen der bisherigen Sparpolitik, das im Grunde einfach einleuchten muss, denn einem nackten Mann kann man nunmal nicht mehr in die Tasche greifen. Innerhalb der letzten fünf Jahre ist also Griechenlands Wirtschaft massiv geschrumpft.

Selbst die ja sonst eher marktradikalen USA haben Sympathie mit den Griechen, sei es nun Obama selber oder aber Blomberg. Und eines übersehen bei der neuen, griechischen Regierung viele Deutsche sehr gerne: das sind keine Dummköpfe, die da am Werke sind, sondern Profis.

Der Regierungschef ist Regionalplaner und Ingenieur und Yanis Varoufakis, der neue griechische Finanzminister, studierter Mathematiker und Wirtschaftswissenschaftler und Professor, der sich vor allem auf dem Gebiet der Spieltheorie umtummelte. Das, was diese Leute vorhaben, macht volkswirtschaftlich Sinn, um dem Land wieder auf die Beine zu helfen. Nach fünf Jahren Ausbeutung und Plünderung durch die EU haben die Griechen eben genug gehabt und lassen sich nicht mehr vorführen wie kleine Schuljungs.

Der deutsche Bundesfinanzminister Schäuble ist Jurist und schwäbische Hausfrau, der sich nun von Varoufakis erklären lassen darf, wie ein Staat funktioniert. Denn was bitte befähigt einen Juristen dazu, Finanzminister zu werden, wenn der bekannteste aller Juristensprüche „iudex non calculat“ ist, also ein Richter rechnet nicht?

Dass dem so war, zeigt ja die Posse um Griechenlands vermeintlich nicht gegebene Zustimmung zu weiteren Reformen gegenüber Rußlands. Das wurde so dargestellt, als würde sich Griechenland den Russen zuwenden wollen. In Wirklichkeit sagte der Außenminister Griechenlands wurde er wegen der Wahlen und der Entscheidung danach gar nicht erst gefragt, aber man versicherte ihm, man ging von der Zustimmung aus und man könne das ja hinzufügen. Verständlich, dass man sich so von oben herab eben nicht mehr behandeln lassen will.

Und wenn man sich ansieht, wie gerade die üblichen Verdächtigen in unserer Medienlandschaft gegen die Griechen aus allen Rohren schießen, dann ist das nunmal so, dass die irgendwas richtig machen müssen. Denn sonst wären diese Kampagnen nicht da.

Außerdem: Deutschland hat aktuell Schulden in Höhe von rund 2 Billionen Euro, in Relation zum BIP gesetzt sind das aktuell 75%. Wer meint, dass die jemals zurückgezahlt werden würden, der irrt gewaltig.

Der wirkliche Grund, warum nun auf die Griechen aus allen Rohren geschossen wird, liegt doch woanders: die neue Regierung stellt die alte Abhängigkeit Griechenlands in Frage und stellt auf einmal Forderungen. Dies widerspricht aber dem gönnerhaften Bild, das die Deutschen gerne sehen, wir zahlen und keiner liebt uns, dabei müsste uns doch ganz Europa dankbar sein. Das kratzt natürlich am Ego. Außerdem wird damit auch der wirtschaftliche Entwurf, den die Troika in Griechenland propagierte, ebenfalls in Frage gestellt.

Im Grunde müsste man als vernünftig denkender, politischer Mensch auf die Griechen neidisch sein, denn immerhin haben nach langen Jahren eine Regierung, die wenigstens versucht, im Sinne ihrer Wähler und des Volkes Politik zu betreiben. Demokratie ist immer noch die Macht des Volkes und wen die Griechen wählen, muss nicht uns gefallen, sondern denen.

Und was haben wir Deutschen? Mutti Merkel, die von der marktkonformen Demokratie schwadroniert und das auch ganz genau so meint und gehörig Schuld daran hat, dass die EU-Krise schon seit Jahren verschleppt und verschlimmert, aber nicht endlich mal grundlegend gelöst wird. Anders gesagt: hätte man früher mit deutlich weniger Geld die Krise möglicherweise lösen können, kostet das jetzt bereits zwischen viel und sehr viel Geld. Aber auch das wird an Teflon-Angela abprallen und auch das wird man den Griechen wieder anhängen. Die Spindoktoren und hirnbefreiten Neidhammelmassen haben ja darin schon Übung.

In dem Sinne: ja, die Griechen haben sicherlich nicht alles richtig gemacht in der Vergangenheit. Die kübelweise Spott und Häme aber, die die Deutschen über sie ausschütten, haben sie nun auch nicht verdient, denn wir Deutschen haben auch längst nicht alles richtig gemacht. Und im Grunde stünde uns in Europa wieder etwas mehr neue Bescheidenheit ganz gut zu Gesicht, wenn man bedenkt, dass wir Deutsche im letzten Jahrhundert immerhin zwei Weltkriege vom Zaun gebrochen haben. Denn auch, wenn viele bei uns darunter endlich gerne einen Schlußstrich ziehen würden, so haben viele europäische Nachbarn das längst noch nicht alles verdaut oder gar vergessen.

 

3 Gedanke zu “Auswurf: diese Griechen, wie können die nur!”
  1. Lieber Barth…

    dies als Entgeistigt zu nennen und auf eine Stelle mit Progomen zu stellen.. zeigt mir nur,
    dass du zum Lachen in den Keller gehst.
    ICH bin übrigens dafür und hoffe,
    dass Griechenland aus der EU entfernt wird.

    Da ich dich aber nicht mehr mit meinen entgeisterten Beiträgen auf FB entsetzten möchte. .. werde ich dich einfach aus der FL entfernen. 😉

    In dem Sinne…. alles Gute
    Kessy

  2. Ich drücke mich zwar nicht öffentlich negativ gegenüber den Griechen aus, allerdings muss ich gestehen das meine Gedankengänge sich doch ganz gut von der deutschen Medienlandschaft umnächtigen lassen haben.

    Schön das alles mal aus einem anderen Standpunkt und Perspektive zu erfahren. Allerdings auch mit den bitteren Beigeschmack, bezüglich unserer Politik. Ein Thema das mich schon seit Jahren wurmt.

  3. Es ist ja schön wenn man sich bemüht über den Tellerrand der medialen Verblödungsstrategien zu schauen. Schade ist es dann allerdings wenn man gleich an der 1. Verteidungslinie der Obrigkeit plangemäß hängenbleibt.

    Natürlich hat „der Grieche“ nichts von den Krediten die seit 2010 über diesem bedauernswerten Land ausgekübelt werden. Das sind zu 3/4 reine Umschuldungen bei denen alte Kredite (von Banken und Versicherungen gehalten) durch neue Kredite (nunmehr gehalten durch die europäischen Steuerzahler)ersetzt werden. Das ist nicht wirklich schwer zu verstehen.
    Es sollte allerdings genauso einfach zu verstehen sein, dass „die Griechen“ zwar so gut wie nichts von diesen neuen Krediten haben, dass „die Griechen“ aber sehr wohl das Geld der alten Kredite verfrühstückt haben. In Form zu vieler Staatsbediensteter, zu hoher Renten, zu hoher Lohnstückkosten, zu viel Bakisch, zu viel zu teures aller Art, was einfach einer Vielzahl von Griechen zugute kam. Eben „die Griechen“.

    Und ja: Wenn man das Ziel der sogenannten Rettungspolitik unrealistischerweise darin gesehen haben sollte dass es der griechischen Bevölkerung nach kurzer Durstsstrecke wieder so gut geht wie vor 2010, dann muss man die Rettungspolitik zwingend als gescheitert betrachten. Denn die Einschnitte in die sozialen Netze sind unglaublich hart, das Lebensniveau des größten Teils der griechischen Bevölkerung drastisch abgesunken. Das Bruttosozialprodukt des Landes um 25 % gefallen.

    Tatsächlich sollte man es realistischer Weise jedoch mal so betrachten, dass die griechische Bevölkerung wieder auf dem Boden der Tatsachen gelandet sind. Nämlich auf dem Niveau auf dem sie waren bevor sie die Kreditparty mit dem (politischen) Beitritt zum Euro gestartet haben.
    Die griechische Produktivität hat sich leider nicht wesentlich gesteigert in den vergangenen 20 Jahren. Vom jetzigen Niveau wird es (mit etwas Glück) relativ zügig wieder 10-20% bergauf gehen und dann stagnieren. Für die meisten Griechen wird das immer noch Welten von dem entfernt sein was sie 2008 hatten. Aber mehr produziert dieses Land nun mal nicht. Und das hat mit Häme wenig zu tun.

    Zu den Ausflügen ins Reich „der böse Deutsche“ sollte sich was schämen von wegen zweier Weltkriege und blablabla ……….. spare ich mir lieber jeden weiteren Kommentar. Manchmal sollte man ahnungslose lieber in ihrem Tal der Glückseeligkeit lassen.

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