Talboter Memoiren, Teil 2

Der letzte Teil der Geschichte endete damit, dass ich gerade frisch, fromm, fröhlich und frei im jugendlichen Leichtsinn (naja, nicht wirklich) die Leitung der Sim Talbot übertragen bekommen hatte.

Die Ausgangslage

Talbot im Dezember 2008 vor dem großen Umbau, den Mittelzylinder gab es nach dem großen Umbau nicht mehr.

Nach der Übernahme des Amtes des Administrators Anfang Januar 2009 gab es für mich mehr als reichlich zu tun. Die Sim stand auf der Kippe, die damalige Simbesitzerin Saba Collas wollte diese schnellstmöglich kostenfrei an jemand anderes, nämlich den damaligen Schatzmeister Diabolus Svenska, übertragen und loswerden. Talbot als Sim bestand mindestens bereits seit dem 24. Januar 2008, wie man hier an dieser Ankündigung bei Slinfo nachlesen kann. Wie man ebenfalls im dortigen Thread nachlesen kann, war zu der Zeit Lurch Swindlehurst der Wirt in Talbot gewesen und ganz zu Anfang Haron Strom, der später Torcodino eröffnete, einer der ersten Administratoren der Stadt gewesen. Lurch war ja später im Torcodino von Haron eine Institution gewesen. Auch startete die damalige Heilerin Viktoria Lannock eine viel beachtete Pilgerreise durch Gor, die bis heute unvollendet geblieben ist.

Das bedeutet, zu diesem Zeitpunkt existierte die Sim immerhin schon ein knappes Jahr, und es wäre sehr schade gewesen, wenn sie (wie immer eben) verschwunden gewesen wäre. Bei den Lindens ist es so gewesen, dass der Bankeinzug für die Simmiete immer noch im Vormonat stattfand und wenn dieser nicht rechtzeitig geklappt hätte, wäre zuerst der Besitzeravatar gesperrt gewesen und nach einer kurzen Frist die Sim offline gegangen.

Es galt also, innerhalb kürzester Frist die Finanzierung für eine komplette Fullprimsim (immerhin im Monat 295 US$) auf eine andere, stabile Basis zu stellen. Am 8. Januar 2009 wurde ich in der damaligen Ratssitzung, die eine Mischung aus IC und OOC gewesen ist, einstimmig von den mindestens zehn stimmberechtigten Teilnehmern zum neuen Administrator gewählt und damit ging das Rackern auch schon so richtig los! Zu allem Überfluss kam dazu, dass seit Weihnachten 2008 Talbot noch den Weggang von mindestens vier guten Rollenspielern ohne Ausgleich zu beklagen hatte, also wurde der Club der Talboter Bevölkerung kleiner.

Am 15. Januar 2009 war die nächste OOC-Sitzung geplant gewesen, auf der die strategische Neuausrichtung Talbots samt Neufinanzierung besprochen werden sollte, und bis dahin musste dann zwangsläufig das neue Konzept stehen. Also gab es sehr viel zu tun innerhalb sehr kurzer Zeit!

Die Vorgehensweise

Die Idee zum Umzug des alten Landepunktes von Talbot. Im Süden auf dem Bild ist dabei der ursprüngliche Landepunkt gelegen und im Osten die Kriegerwohnungen samt dem Turm des Admirals.

Da es in der kurzen Zeit sehr viel zu tun gab und ich nun die Sim mehrfach am Bein hatte, sparte ich mir in der Hauptzeit das Rollenspiel an sich und eruierte, was sich die residente Spielerschaft denn so wünschte und es für Ideen gab, das Simdesign zu verbessern. Das bedeutete, dass ich mir einen Mitspieler nach dem anderen vorknöpfte und mit diesem bilateral dessen Sorgen und Nöte besprach. Es zeichnete sich schon von Anfang an ab, dass es keinen neuen Hauptsponsor für die Sim mehr geben würde, sondern die gesamte Spielerschaft solidarisch für die Simmiete aufkommen werden müsste. Es erschien uns allen illusorisch, dass sich nach dem Lowprimsimdesaster von vor einem halben Jahr damals erst einfach und noch innerhalb dieser Zeit ein neuer Hauptsponsor finden lassen würde.

Dementsprechend ist jeder Einzelne gleich wichtig gewesen, da jeder Einzelne zu mehr oder minder gleichen Teilen wie schon im Dezember 2008 geschehen für die Simmiete hätte aufkommen müssen. Im Prinzip war die Idee dasselbe Finanzierungsmodell wie in Lydius gewesen, aber mindestens auf doppelt so viele Personen verteilt. Also eine Sache, die schon gefühlsmäßig nur sehr schwer auf Dauer hätte funktionieren können, aber da es im Dezember 2008 auch geklappt hatte, war zumindest die Hoffnung da, dass sich das erneut fortsetzen ließe.

Vor dieser Ausgangslage also begann ich nun mir erst mal alle Wünsche anzuhören, versuchte daraus gewisse Tendenzen abzuleiten, die man dann in eine Neugestaltung der Sim hätte fließen lassen können mit dem Ziel, dass die Spieler dann gerne in Talbot blieben und dafür bereit sind, Geld zu zahlen.

Und zu hören bekam ich seinerzeit dann so einiges von der werten Spielerschaft.

Die Probleme und Ideen

Talbot auf der SL-Karte vor dem Umbau, man beachte die Randlage der Stadt auf der Sim. Die großen Wasserflächen im Nordwesten waren vorher Land für andere Gruppen gewesen (z.B. mal kurz die Red Sun Mercs).

Das Hauptproblem war natürlich die kippelige Finanzierung gewesen. Daneben gab es aber auch noch eine ganze Latte von anderen Problemen, zu denen es verschiedene Lösungsansätze gab, die auch teilweise umgesetzt worden sind, um die Stadt für Rollenspiel attraktiver zu machen.

Natürlich war die Lage Talbots, im Norden mit der Sim Skjern als damalige Heimat der Skjern-Piraten und im Süden zu Aretai, irgendwo im Verbund hausten anfangs auch noch die Asgards, denkbar schlecht gewesen für die Art an Rollenspiel, die man dort gerne gehabt hätte. Als die Asgard zum Beipiel noch im Verbund waren, überfielen sie teilweise nach den Erzählungen der Älteren die Sim aus reiner Langeweile bis zu zweimal täglich, was irgendwann zu einem No-RP führte. Aber zu dem Zeitpunkt war wegen dafür nötigen Gebühr an einen Umzug der Sim nicht zu denken gewesen noch zogen wir diese wirklich in Erwägung. Später schon, aber auch dann klappte es nicht.

Ein weiteres Problem war, dass die Stadt Talbot (genauer das Kreisrund) an sich schon sehr detailliert und primintensiv bebaut gewesen ist, also nicht mehr wirklich viel Spielräume für Mieter (Spieler/weitere Gruppen) zuließ. Zudem war das Kreisrund nicht in der Simmitte gewesen, sondern befand sich komischerweise irgendwie am Simrand rechts unten drangeklatscht. Eine der Ideen, die dann auch direkt umgesetzt wurde, war der Neuaufbau des Kreisrundes in der Simmitte bei gleichzeitiger Einsparung von Prims.

Als Problem wurde ebenfalls angesehen, dass es in Talbot seinerzeit keinen offenen Platz gab, wo man sich einfach zum Hinsetzen treffen konnte. Es war zwar eine Handelsstadt, aber ohne einen offensichtlichen Marktplatz gewesen Ebenso war der Landepunkt problematisch, da man von diesem aus nicht die Stadt sah und quasi mehr im Blindflug erst über einen längeren Weg von dort in Richtung der Stadt irren musste. Wir dachten damals, das verschreckt unnötigerweise viele Spieler und der Weg in die Stadt muss geradliniger, einfacher werden, zudem sollte man vom Landepunkt bereits die Stadt direkt erblicken können.

Im Zuge der Umbauarbeiten wurde dann neben dem Umzug des Kreisrunds in die Simmitte auch der mittlere Zylinder ersatzlos entfernt. Der mittlere Zylinder war die höchste Erhebung der ursprünglichen Stadt gewesen und enthielt neben dem Sitzungssaal für den Rat auch das Büro und die Wohnung des Administrators. Alleine dieser Turm bestand auf ungefähr 800 Prims, die Mehrzahl der Bewohner fand ihn damals nur noch erdrückend und nutzlos. Also wurde er restlos entfernt und man stellte an der Stelle zuerst ein Zelt, später einen Brunnen als Treffpunkt hin.

Bei den Mietern hoffte man auch darauf, dass die damals eine Parzelle suchende Stadt Tor nach Talbot zieht. Das klappte aber nicht, erst später zogen sie dann doch nach Talbot und waren lange Zeit dort in der direkten Nachbarschaft zu Aretai zufrieden, bis sie irgendwann erstmal geschlossen eine Gorpause antreten. Heute befindet sich die neu errichtete Stadt Tor auf der Sim Fellglanz.

Ebenfalls wollte man Tip-Jars aufstellen, wir waren uns zwar alle klar, dass das nicht sehr viel bringen würde, aber Kleinvieh macht ja bekanntlich auch Mist und man war bitter auf jeden reinkommenden Eurocent damals angewiesen.

Dazu kamen die üblichen Ideen wie regelmäßige OOC-Parties, um den Zusammenhalt als Gruppe zu fördern und einfach mal OOC ein wenig mit Spielern wie Piraten/Panthern/dergleichen zu entspannen, wo es sonst fast nie geht, RP-Schulungen, verstärkte Werbung von Neumitgliedern, regelmäßige RP-Märkte sowie besondere Events und dergleichen mehr.

Die Unterbringung von Gästen selber war auch ein Problem gewesen, es gab schlicht und einfach keinen Raum zur Übernachtung von Fremden und Wand der Taverne wurde zum Hafen hin geöffnet, damit man sie überhaupt als Taverne erkannte.

Das neue Talbot in der Skybox.

Alles in allem war es eine interessante Zeit zwischen Hoffen und Harren, die Ideen sprudelten förmlich nur so aus den Leuten heraus und es schien alles machbar und die Leute zu allem bereit – sofern die Finanzierung klappen würde. Da auf der Nachbarsim „Ta Sardar Gor2“ sowieso bereits alles abgeräumt war und diese verkauft werden sollte, bot es sich an, diese als Bauplatz für’s neue Talbot zu nehmen. In Windeseile wurde dort eine große Skybox errichtet, in er das Kreisrund einfach neu gerezzed wurde und die wichtigsten Änderungsideen dort schon einmal vorgebaut wurden, auch wenn noch gar nicht fest stand, ob das nun klappen wird mit dem Simbestand oder nicht.

Genau darüber und noch viel mehr wurde dann in der OOC-Sitzung am 15. Januar 2009 gesprochen, und es kam überraschenderweise schließlich alles ganz anders als gedacht.

Es war einmal… oder: meine Talboter Memoiren Teil 1

Werbung für das alte Talbot mit dem altem Aretai vor dem Bau der Riesenmauern im Hintergrund.

Es war einmal eine Sim namens Talbot… so könnte ein Märchen beginnen, aber mir ist gerade danach, ein wenig meine persönliche Historie zu schreiben, so gut ich es noch zusammenbringe und wie ich ins deutsche Gor geriet. Wer also Fehler/Korrekturen hat, bitte her damit in den Kommentaren, in SL per IM oder auch gerne Mail.

Zuvor spielte ich nämlich mindestens hauptsächlich drei Monate lang auf englischsprachigen Sims und nannte Port Kar meine Heimat. Port Kar war schon damals eine der ältesten goreanischen Sims der Amis gewesen, strikt BtB, eine Schreiberhochburg vor dem Herren und mehr oder minder alle Schreiberkoryphäen der Amis waren zu dem Zeitpunkt dort versammelt gewesen. Für eine Piratenstadt war es sicherlich viel zu viel zivilisiert gewesen, hätten die jemals eine der typisch deutschen Piratenhorden mitbekommen, hätten sie nur ihre Hände ächzend vor dem Kopfe zusammengeschlagen. So durchlief ich bei der damaligen Headscribe Melisande Moisant dort eine Art Freestyle-Schreiberausbildung und wurde dann später von Dark Starr, dem First Captain (und ehemaligen Schreiberkastenoberhaupt der Gruppe „Blue Caste of Gor“ sowie Simbesitzer) dort schließlich zum „fully fledged scribe“ ernannt. Ab und an aber besuchte ich auch deutsche Sims, vor allem das Südland und ab Mitte November 2008 auch sporadisch Talbot und so nahm dann die Geschichte ihren Lauf.

Talbot, wo lag denn das?

Talbot selber war als Hauptstadt des längst nicht mehr bestehenden Ta-Sardar-Gor-Verbundes gedacht, konzipiert und gebaut gewesen. Dieser Verbund bestand zu seiner Glanzzeit im Sommer 2008, bevor die Lindens die Preise für die Lowprimsims drastisch erhöhten und diese quasi unspielbar machten, aus bis zu 15 Sims. Das besondere an Talbot ist dabei gewesen, dass es überall von Wasser umgeben gewesen ist und fast alle an Talbot angrenzenden Sims herum von Talbot aus komplett schiffbar gewesen sind. Die Stadt Talbot verdankt ihre Existenz in den deutschen Büchern übrigens einem Übersetzungfehler, im englischen Original gibt es sie nicht, man vermutet aber, dass damit die Insel Tabor gemeint gewesen ist. Das hatte den Vorteil, dass man Talbot geographisch fast nahezu überall dorthin verpflanzen konnte, wo es einem aus welchem Grund auch immer in den Kram passte.

Der Verbund, der dabei mehr oder minder nur eine Aneinanderreihung von Sims mit teilweise verschiedenen Besitzern gewesen ist, die sich teilweise nicht mal untereinander unbedingt grün waren und zudem jeder auch noch sein eigenes Regelwerk samt Waffenliste pflegte (im Norden war Skjern, im Süden das Aretai usw.), wurde dann nach den Preiserhöhungen der Lindens in der Größe nicht mehr finanzierbar und zerbröckelte sehr schnell. Dazu kam auch, dass die damalige Besitzerin keine Zeit/Lust mehr darauf hatte, weiterhin beliebig Geld mit dem Verbund zu verbrennen und sich daher ins Privatleben zurückziehen wollte. Sie besaß zu dem Zeitpunkt mindestens noch vier Fullprimsims, dazu kam eine Homestead und tat das, was in dem Fall jeder tun würde: man sieht zu, dass man sie verkauft oder an die Lindens zurück gibt. Bei all den Sims ist sie in der Tat Eigentümerin gewesen, und das Umfeld der Stadt Talbot waren primär irgendwelche kampffreudigen Piraten, Outlaws und Nordmänner gewesen. Die Gruppen gibt es heute allesamt nicht mehr, viele der damaligen Spieler haben sich auch inzwischen aus Gor zurückgezogen.

Talbot, bevor es so richtig kriselte

Das wohl allererste Talbot in Flammen, danach kam der markante Rundbau.

Als seinerzeit Talbot eröffnet wurde, war es noch ein Ereignis gewesen, wenn eine neue Gorsim das Pforten öffnete. Talbot selber wurde im Laufe seiner wechselhaften Geschichte mehrfach umgebaut, und bevor ich dort aktiv wurde, sah es auch teilweise ganz anders aus. Viele der älteren Spieler, die ich erst aber nach meiner aktiven Talboter Zeit kennenlernten, stimmten darin überein, dass das erste Talbot auch gleichzeitig das Beste gewesen sein sollte. Das Talbot im Werbeschild ist mindestens die zweite Generation von Talbot gewesen, nach dem Brand von Talbot und dem Umbau hin zur kreisrunden Insel samt simübergreifenden Wasserstraßen, die der offenen Konzeption bis heute einzigartig ist.

Allerdings hatte das alte Talbot schon damals so seine eigenen Problemchen gehabt. Eines der Grundprobleme dabei ist gewesen, dass die Simbesitzerin sich weitestgehend aus allen möglichen Siminternas so gut es ging heraushielt, da sie der Meinung gewesen ist, das Regieren sei nunmal auf Gor Männersache und daher sollten das auch die Männer eben machen. Auch bei internen Disputen griff sie kaum ein.

Ein weiteres Problem waren diverse, interne Spannungen und mitunter nach Meinung einiger auch der Schatzmeister gewesen, der die Sim nur zu gerne als seinen Bauplatz in einer Art und Weise benutzte, die das RP mehr störte als förderte und die in diesem Verbund hausenden Ballerhorden oft offen richtiggehend anging.

Das Hauptproblem ist aber schlichtweg bis zum Ende gewesen, dass diese Sim mit dem Konzept als nach allen Seiten hin offene Handelsstadt im denkbar falschesten aller Verbünde überhaupt gewesen ist. Im Süden war als Nachbar das ballerfreudige Aretai gewesen, in dem man außer für die Sklavinnen nicht viel an RP-Ausbildung machte, aber so zwei bis drei Raids durften es schon gerne am Tag sein und oft genug schwappten diese dann in Wellen nach Talbot hinüber und störten dort massiv das Rollenspiel.

Talbot, als es dann so richtig kriselte

Talbot auf der SL-Karte.

Im Dezember 2008 war so richtig schön im Verbund die Kacke am Dampfen gewesen. Die Besitzerin hatte endgültig keine Lust mehr gehabt, die Sims um Talbot herum wurden entweder zurückgegeben oder verkauft und auch Talbot sollte dieses Schicksal beschieden sein. Talbot hatte damals zwar schon den Ruf als Schlafstadt inne, aber dennoch gab es noch eine feste Kernspielerschaft von etwa 20 Personen. Als die Spieler damals dann hörten, dass Talbot verkauft werden sollte und auch schon ein Käufer gefunden worden sei, machten diese kurzerhand eine Sitzung und fingen an, mit dem Klingelbeutel für den Erhalt der Sim zu spenden. Das Ergebnis war beeindruckend, der Unterhalt der Sim für den Januar 2009 kam dabei recht flott zusammen und der Februar 2009 war bis zur Hälfte ebenfalls finanziert. Damit erkaufte man sich vor allem Dingen eines: Zeit. Zeit, in der es dann vor allem darum ging, die Finanzierung der Sim weg vom bisherigen Hauptsponsor anders zu regeln, diese mittel- bis langfristig zu sichern und ggf. im Zuge dessen auch neu auszurichten.

Das war die Zeit, in der ich dann so langsam ins Spiel kam. Ich selber war sporadisch in Talbot im RP zu Gast und hatte damals meine Phase, in der ich auf Slinfo.de so einige Grundlagenartikel zu diversen Themen schrieb, wie z.B. „Deutsches Gor und warum es ständig den Bach runtergeht“ und ähnliche Sachen, die bis heute nahezu unverändert weiterhin gültig sind.

So kam es dann, dass ich vom Talboter Schatzmeister Anfang Januar 2009 gefragt worden bin, ob ich nicht Lust hätte, in Talbot den Posten des Administrators zu übernehmen. Ich selber hatte nie an so etwas gedacht, er meinte nur ich sei recht nett, bekannt, beliebt und vor allem auch präsent, er haben sich bereits in der noch verbliebenen, aktiven Spielerschaft umgehört, und sie bräuchten einfach jemanden, der in Talbot aufräumt und endgültig den Karren aus den Dreck zieht. Damit war natürlich eine neue Grundlage für die Finanzierung gemeint gewesen. Sie hätten mich damals am Liebsten direkt in einer Ratssitzung als Externen zum Administrator gekürt gehabt, ich erbat mir aber eine Woche Bedenkzeit dafür. Außerdem war ich in dieser Woche nur in Talbot aktiv, damit mich auch mal die Leute samt meiner Spielweise nicht nur sporadisch, sondern wirklich kennenlernen konnte.

Das Stadtsiegel von Talbot.

So kam es, wie es dann eben kommen musste, ich spielte diese eine Woche nur in Talbot, konzentrierte mich dabei wirklich erst einmal primär nur auf das Spiel und wurde dann in der dafür anberaumten Ratssitzung einstimmig von allen Spielern zum neuen Administrator gewählt. Ich hatte schon eine recht genaue Ahnung, worauf ich mich da einließ, aber ich wollte das auch so und war damit nun sowohl IC als auch OOC das Oberhaupt der Sim und Hoffnungsträger Nummer eins gewesen.

Kaum war ich Administrator gewesen, ging es auch schon ans Eingemachte, nämlich die Sim zu retten – die Finanzierung stand noch für etwas mehr als zwei Wochen und bis dahin musste das Geld da sein oder die Sim wäre weg gewesen, zu allem Überfluss erodierte die noch vorhandene Spielerschaft stark weg.

Als erste Amtshandlung bezog ich in Talbot dauerhaftes Quartier und richtete mich dann dort häuslich ein. Die Rettung verlief anders als gedacht, aber erfolgreich, es war eine überaus interessante Zeit voller Energie, Elan und interessanter Ideen gewesen. Talbot als Sim ist damit weder meine Idee gewesen noch auf meinem Mist gewachsen, auch kam ich dort erst wirklich ins Spiel, als es seine erste Blüte schon länger hinter sich hatte und lenkte die Geschicke dieser Sim für einige Zeit lang, um genau zu sein für etwa drei Monate. Mehr dazu dann im nächsten Teil.

Wenn zwei das Gleiche tun…

…ist es noch lange nicht dasselbe. So kann man die Erzählungen Schweini Spittelers über die Black Shark Piraten und ihre Zeit auf der Sim Lydius zusammenfassen.

Es ist eine Geschichte der anfänglichen Zuversicht und des hoffnungsvollen Plans, endlich eine Piratentruppe etablieren zu wollen, die nahe am Setting spielt und wie dann die anfängliche Euphorie dahinschmilzt wie der Schnee unter den erbarmungslosen Strahlen der Frühlingssonne. Am Ende bleibt nur noch eine kleine, mitunter hässlich anzusehende Pfütze, die keiner haben will und ein Haufen geplatzter Träume.

Die Erzählungen zeigen eines der Hauptprobleme eines Rollenspiels, das eben kein verbindliches Regelwerk hat: jeder pickt für sich genau nur die Rosinenaspekte heraus, die ihm ins Spiel passen, der Rest wird flexibel gedehnt oder einfach weggelassen. Die anderen machen es schließlich vor, sie machen es auch so, wieso sollte man denn selber anders handeln? Sich darüber einig zu sein, das man „Gor“ spielen will, ist eben nicht genug, denn es gibt nicht nur ein „Gor“, sondern verdammt viele. Besser ist es wirklich von Anfang an, dass man es genau definiert und dann schwarz auf weiß hat. Interessanterweise würde man im Mittelerde-RP sofort erschlagen werden, wenn man Rollen zu sehr dehnt oder außerhalb des Settings spielt, aber die goreanischen Rollenspieler zeichnet da eine seltsam langmütige Toleranz aus, die mitunter oft viel zerstört.

Schlimmer noch, es zeigt einen weiteren, wichtigen Aspekt: man sollte sich genau überlegen, wem man vertraut und welche Rechte man demjenigen einräumt. Denn wenn jemand zu sehr verärgert sein sollte, handelt der mitunter schnell im Affekt und gibt mal eben mehr als 2/3 der Prims einer Sim zurück und dann viel Spaß dabei. Entweder man schafft es, dass Linden Lab einen Rollback macht – oder schaut in die Röhre und hat neben dem Spott auch noch den Schaden. Prost Mahlzeit, aber einem Avatar kann man leider eben wie hier damals auch geschehen schlecht in die Augen schauen, so dass man sich besser noch anderweitig absichert, wenn man nicht erst aus Schaden klug werden will.

Tante Edith: es war damals wirklich Unachtsamkeit gewesen, aber ich erinnere mich auch genau an Fälle wie im alten Red Rock, wo ein Admin im Zorn ging und wirklich bewusst Objekte zurückgab, um Schaden anzurichten. Daher ist das nötige Quantum Vorsicht immer nötig.

Opensim oder: die Entdeckung der Leere

Momentan macht bei vielen Second Life Bewohnern, die Geschäfte und/oder Sims betreiben, vermehrt ein Schlagwort verheißungsvoll die Runde: Opensim. Opensim wird dabei als alles Mögliche und auch Unmögliche angesehen, die Gründe, warum sich langjährige Residents dabei vermehrt dort aufhalten, sind extrem unterschiedlich und reichen von "Ich will kostengünstiger an Land ran" über "Ich will dort einfach Geld verdienen" bis zu "Ich will mich endlich aus den Klauen der Lindens befreien und verdammt noch mal alles selbst unter Kontrolle haben."

Die Fragen, die sich mir dabei stellten, sind erst mal diese: was ist Opensim eigentlich genau, was macht Opensim für diese Mitmenschen interessant und was nicht sowie hält das alles einer kritischen Überprüfung stand?

Was ist Opensim?

Opensim ist ein kostenlos verfügbar und im Quellcode offener, von Linden Lab unabhängig entwickelter Nachbau der internen Infrastruktur von Second Life. Oder einfacher ausgedrückt: wenn der Second Life Viewer mit einem Webbrowser verglichen wird, dann ist Opensim ein für jedermann kostenlos erhältlicher Webserver. Mehr noch, da Opensim unter einer sehr liberalen BSD-Lizenz entwickelt wird, darf jeder auch den Quellcode nach Belieben modifzieren und für alle möglichen, kommerziellen Produkte einsetzen, wenn er mag.

Konkret bedeutet das: wer schon immer seinen eigenen Simulator oder gar sein eigenes Grid inkl. Assets, Logins und dergleichen hosten wollte, der kann das mit Opensim jederzeit tun und ist dabei nicht mehr auf Linden Lab angewiesen.

Dabei ist allerdings zu beachten, dass Opensims vom Grid der Lindens getrennt betrieben werden. Das hat die einfache Folge, dass man auf seiner Opensim keinerlei Zugriff auf sein Inventar hat, das man im Second Life Grid hat, und umgekehrt in Second Life keinerlei Zugriff auf des Inventar der Opensim. Beide Lösungen für sich betrachtet gleichen erst einmal zwei voneinander, isolierten Inseln zwischen denen nur sehr wenig Informationen (wenn überhaupt!) übertragen werden. Doch dazu später noch mehr.

Bei aller Euphorie für Opensim ist zu beachten, dass diese Software sich offiziell noch im Alphastadium befindet, trotz der vielen, interessanten Sachen, die man bereits damit machen kann, und damit läuft sie längst nicht immer so stabil wie das Second Life Grid.

Was macht Opensim interessant?

Die beiden Killerargumente für die Einrichtung einer Opensim dürften folgende sein: es ist im Vergleich zu einer Sim bei Linden Lab um Längen billiger und man hat, wenn man will, alles unter seiner eigenen Kontrolle. Als netten Nebeneffekt unterliegt Opensim einer Vielzahl künstlicher Beschränkungen, die die Lindens noch fahren, nicht.

Man will ein komplettes Backup seiner Sim machen und auf CD brennen? Kein Problem, mittels OAR kann das Opensim problemlos machen. Es gibt sogar einige Webseiten, wo man fertige OARs für diverse Zwecke, wie z.B. eine Schulungssim, einfach runter laden kann. Man will auf seiner Sim nicht länger der Beschränkung von maximal 15.000 Prims unterliegen? Auch das ist kein Thema mehr, eine Opensim verwaltet locker 45.000 Prims, wenn man will und die Hardware leistungsfähig genug ist, es gibt teilweise Versuchsbauten auf diversen Sims mit 160.000 Prims oder noch gar mehr. Man findet die Größe einer Sim von 256×256 m zu klein? Auch das ist kein Thema mehr, eine Opensim erlaubt Größen bis maximal 4km Seitenlänge. Man will endlich direkt Megaprims erstellen können? Auch das leistet Opensim problemlos.

Wer will, der kann auch wie Rezzable sein eigenes, kleines Grid aufbauen und dann damit glücklich werden oder sich gar an größeren Grids versuchen. All das leistet die Software.

Dazu kommt noch eine weitere, sehr interessante Sache namens Hypergrid. Hypergrid ist eine Technologie, die es Nutzern ermöglicht, von Grid A nach Grid B unter der Mitnahme des kompletten Inventars ohne erneuten Login zu hüpfen. Dies hat für den Benutzer diverse Vorteile, aber bereitet je nach Einrichtung den Content Creators auch manches Kopfzerbrechen.

Die Hauptfaktoren aber, die Opensim interessant machen dürften, sind die günstigeren Kosten sowie die stark erhöhte Kontrolle über alles als Simbesitzer.

Eine ganz neue Entwicklung dabei ist, dass es nun auch die erste, ernstzunehmende gridübergreifende Währung namens OMC (Openmetaverse Currency) im Bereich der Opensims gibt, die die weitere Adoption von Opensims vor allem im Bereich der Content Creators nun drastisch beschleunigen dürfte.

Wie sieht die Realität aus? Wozu ist Opensim zu gebrauchen und wozu nicht?

Wie schon vorhin geschrieben, ist Opensim eine Lösung, die von Second Life komplett isoliert betrieben wird. Wer in einer Opensim, oder besser in einem Grid mit Opensim anfängt, der fängt bei Null an. Er hat keinerlei Zugriff auf das Inventar von Second Life, eine leere Freundesliste und muss sich erst einmal wieder völlig neu orientieren. Da bei vielen Content Creators Opensims unter dem Motto "Once the content’s been there, it’s been copied everywhere" verschrien ist, und weil auch die erste richtige Währung erst seit kurzem verfügbar ist, erreicht der meiste erhältliche Content den Standard von Second Life nicht. Sprich, man erhält sehr wohl Objekte, Haare, Skins usw., aber vom Aussehen her ist es meist mehr oder minder der Stand von Second Life in etwa von vor zwei Jahren. Wer unbedingt Wert auf Boots von Stiletto Moody u.ä. legt, der wird dort absolut nicht glücklich werden, da es diese einfach nicht gibt. Das ist nun eine Sache, die sich mit der neuen Währung langsam verbessern dürfte. Aber immer noch gibt es genügend Content Creators, die – und oft leider zu Recht – sagen: "Wäre mein Tool XY für 900 L$ nur einmal auf einer Open Sim gewesen, dann würde es keine zwei Wochen dauern, und es gäbe davon auch zig illegale Kopien in Second Life. Ich könnte dann mein Geschäft gleich aufgeben."

Ein größeres Problem haben aber die Content Creators damit, dass Opensim eine offene Architektur darstellt. Sofern das Grid nicht wie bei Rezzable geschlossen betrieben wird, ist es jedem Simbesitzer möglich, ein Komplettbackup seiner Sim zu machen und damit über den Content nach Belieben zu verfügen. Einen Zacken "schlimmer" wird das für die Klientel derjenigen, die mit Content Geschäfte machen wollen, noch mit dem Hypergrid. Content Creators dürften daher in der Mehrzahl geschlossene Grids mit genau bekannten Ansprechpartnern bevorzugen.

Das ist die eine Seite, die bisher neben der lange fehlenden Währung die Migration für Content Creators in Opensims nicht besonders reizvoll erschienen ließ. Die andere Seite ist schlicht und einfach, dass selbst die flächenmäßig größten Opensim-Grids wie Osgrid.org von den Benutzerzahlen her noch lange nicht mit Second Life auch nur ansatzweise konkurrieren können.

Eine einfache Rechnung: Osgrid.Org als Bastelgrid mit sehr unterschiedlicher Stabilität, in dem jeder beliebig Sims kostenlos einhängen kann, wenn er will, hat aktuell 5857 Regionen. Insgesamt gibt es bisher 35432 angemeldete Avatare, davon sind aber nur 4687 aktiv und momentan 54 gerade eingeloggt. Das bedeutet rein rechnerisch, dass sich momentan auf jeder Region gerade 0,009 Avatare befinden.

Einfach ausgedrückt: wer sich nur auf Opensim-Grids bewegt, der lebt verdammt einsam. Schon ein gut besuchter Club in Second Life versammelt meistens mehr Avatare auf seiner Sim als in einem Opensim-Grid gleichzeitig unterwegs sind, wenn ein Club auf einer Opensim mal mehr als zehn Besucher hat, dann ist das schon sehr viel. So sieht die einfache Realität aus, zum Vergleich: in Second Life sind meistens je nach Tageszeit 40-80000 Avatare gleichzeitig online.

Es gibt diverse Möglichkeiten, eigenen Content von Opensim nach Second Life zu transportieren und umgekehrt. Manche Content Creators nutzen das auch rege, um größere Simbauten auf einer Opensim vorzubereiten und dann nur noch nach Second Life fertig zu importieren. Das ist eine Nutzungsmöglichkeit, die Sinn macht, um die Zeit der Bauphase in Second Life möglichst klein zu halten, denn schließlich kostet dort jeder Tag Ausfall mitunter teures Geld.

Andere Pioniere nutzen eine Opensim einfach als Sandkasten, in dem sie endlich von allen Zwängen befreit Bauen können, wie sie wollen oder als besseres Wohnzimmer, wo ihnen keiner mehr reinreden kann.

Für Universitäten und andere Bildungseinrichtungen ist Opensim als Insellösung sicherlich auch interessant, denn irgendwo wird fast immer ein freier Server rumstehen, den man dafür nutzen kann, aber diese Benutzergruppe dürfte eine kleine Minderheit darstellen.

Bis aber die Opensimgrids wirklich neben den hart gesottenen Pionieren für die Allgemeinheit als Konkurrenz zu Second Life interessant werden, dürfte noch einige Zeit vergehen. Wegen der geringen Nutzerzahlen ist es auch noch schlicht unmöglich, in Opensims als Content Creator wirklich richtig Geld wie in Second Life zu verdienen. Das Geschäft machen bisher, wenn überhaupt und daraufhin ausgelegt, die Betreiber der diversen Grids.

Momentan ist Second Life in dem Bereich der Marktführer, er gibt nach wie vor die Geschwindigkeit vor und Linden Lab schläft nicht, was die Konkurrenz anbelangt. Ich bin mir sicher, dass sie noch die ein oder andere technische Neuerung in der Pipeline haben, wie z.B. schon angekündigt freie Avatar-Meshes (vielleicht irgendwann sogar eine neuere Grafik-Engine?), die den Opensimgrids als Bastellösungen das Leben schwer machen werden.

Opensim ist eine viel versprechende Technologie, die sich offiziell noch immer in der Alphaphase befindet und mit Riesenschritten in der Entwicklung vorangetrieben wird. Bis aber Opensim mit dem Stand Second Lifes von heute wirklich konkurrieren kann, dürften noch mindestens ein bis zwei Jahre vergehen. Die Technik ist einfach noch nicht soweit und momentan hauptsächlich ein Tummelplatz für Pioniere.

Aber, wie heißt es so schön: Konkurrenz belebt das Geschäft. Es gibt
endlich dank Opensim in dem Bereich einen gewissen Konkurrenzkampf, und
ob man nun Opensim nutzt oder nicht, am Ende profitieren wir alle davon, da Linden Lab es sich nicht mehr länger leisten kann, sich weiterhin ruhig auf seinen Lorbeeren auszuruhen und so zu tun, als gäbe es keine nennenswerte Konkurrenz.