Second Life, dessen Hardwareanforderungen und ihre Wirkung auf die Allgemeinheit – eine Polemik

Momentan höre ich neben dem üblichen Genöhle in world über die ach so ungeheuren Hardwareanforderungen vom Viewer 2 immer und immer wieder die Besorgnis, dass gerade Mitmenschen, die finanziell nicht so liquide sind, mit dem stetigen Anstieg der Hardwareandorferungen – viele vermuten fälschlicherweise, dass Mesh auch nochmal dazu ordentlich beitragen wird – mehr und mehr aus Second Life hinausgedrängt werden. Fakt ist sicherlich, dass sich nicht jeder unbedingt einen neuen Prozessor oder alleine für den besseren SL-Genuss eine neue Grafikkarte, und sei es schon für 50 €, leisten kann oder will. Jeder hat seine eigene Sichtweise darüber, was er mit seinem Geld anfangen will, und damit unterschiedliche Schwerpunkte.

Halte ich aber nun dieses Geheule für stichhaltig? Nein, das tue ich nicht, noch finde ich es schlimm, dass die Hardwareanforderungen im Laufe der Zeit gestiegen sind, Mitleid selber habe ich da auch keines. Wozu denn auch?

Das möchte ich gerne einmal genauer ausführen: die Hardwareanfordungen von Second Life an sich sind nach wie vor sehr moderat. Linden Lab empfiehlt einen Prozessor ab 2 Ghz Taktfrequenz oder besser, dazu eine Grafikkarte der 9000er-Serie von Nvidia an aufwärts bzw. ab Radeon 4000 bei ATI. Das sind nun längst nicht die dicken Brummer, die man braucht, um ein Deus Ex Human Revolution flüssig auf seinem Rechner spielen zu können, sondern Karten der vorvorletzten Generation, wenn überhaupt.

Sicher ist, dass die Anforderungen im Laufe der Zeit gestiegen sind. Aber warum sind sie gestiegen? Weil wir Bewohner von Second Life alle nach Innovation geschrien haben, diese erwartet haben und wollten, dass sich die Plattform technisch weiter entwickelt, darum! Wer nun einmal schöne Wolken am Himmel mit Windlight gezeichnet haben will, wer Sculpties genießen will, wer Glow-Rendering oder gar Schatten haben will, der bezahlt dies mit höheren Hardwareanforderungen, da beißt die Maus keinen Faden ab. Meshes selber werden vom Handling her, wenn man es richtig macht, sogar den Prozessor samt GPU weniger belasten als Sculpties, so viel dazu.

Ich selber sehe es so: natürlich hätte Second Life auch weiterhin niedrigere Hardwareanforderungen stellen können, doch wären wir damit glücklich und was wäre der Preis? Ich erinnere mich noch gut daran, wie wir alle im Jahr 2006 herum liefen. Wenn man ab einem gewissen Zeitpunkt gesagt hätte: so, jetzt gibt’s den Schnitt und ab jetzt gibt’s keine grafischen Verbesserungen mehr, ja das wäre möglich gewesen aber unschön. Wenn ich mir anschaue, mit welchen Texturen und Attachments der durchschnittliche Avatar 2006 herum lief und wie es dazu im Vergleich heute aussieht, dann ist es doch nun einmal so, dass der heutige Avatar von der Leistungsanforderung her einen viel größeren Fußabdruck hat. Warum? Weil er viel mehr Attachments hat, die Haare sind ungleich raffinierter, man trägt einen Haufen Skripte am Körper und dazu kommen noch viele, viele Sculpties. Ein Avatar heutzutage hat da manchmal die Last von 10 Avataren früher.

Wenn wir also nun fordern würden, dass die Hardwareanforderungen nicht mehr steigen oder geringer werden – ja, warum fangen wir dann nicht bei uns selber an und laufen wieder einfacher herum? Wer braucht schon Primhaare mit Flexies, wenn es die Lindenhaare gibt? Wozu Schuhe tragen, wenn es eine Textur am Avatar auch genauso tut und früher der von den Lindens vorgesehene Weg gewesen ist? Wozu brauchen wir denn einen AO, wenn man auch so durch die Gegend watscheln kann wie eine Ente? Die Antworten natürlich auf all diese Fragen lauten: wir brauchen es, weil wir fast alle schön aussehen wollen, weil wir diese Möglichkeiten auch sonst mehr als oft genug nutzen wollen. Daher wollen und brauchen wir es, denn das Bessere ist immer des Guten Feind!

Da aber die ständig wachsenden Anforderungen und Wünsche an den eigenen Avatar nunmal auch mit ständig wachsenden Anforderungen an die Hardware einhergehen, müssen wir uns da wahrlich nicht beschweren, wenn Linden Lab denn angibt, dass der Viewer nun einmal mehr Rechenleistung braucht als früher. Linden Lab zeigt damit nämlich nur den Status Quo auf einer Entwicklung, die wir so wollten und wir so verursacht haben! Alles andere ist nämlich in die eigene Tasche gelogen. Wir wollten es so haben und bekamen es so, fertig!

Sollte Linden Lab auf den technischen Fortschritt – und damit wir alle – verzichten wollen und sogar verzichten, nur weil es einen Haufen Bedenkenträger gibt, die der Meinung sind, es gäbe eine gewisse Anzahl an Leuten, die ihren Rechner dann nicht aufrüsten können und so aus Second Life gedrängt werden? Ich denke nicht, denn es ist nunmal so: Second Life entwickelt sich weiter, ebenso wie sich die Computertechnik rasant weiter entwickelt und man bekommt das, wofür man bezahlt. Selbst leicht ältere Computer sind noch gut geeignet, sich in SL zu bewegen, man darf aber natürlich keine Wunder erwarten. Man bekommt eben genau das, wofür man bezahlt, und auch wenn es bedauerlich ist, dass es Manche tatsächlich aus Second Life vertreiben könnte und vielleicht auch tut, wäre es falsch verstandene Rücksichtsnahme. Wir alle sind der Motor des Fortschritts, dass es immer komplexer wird und wir (fast) alle wollen das auch so! Denkt mal darüber nach.