Es gibt in WoW zwei große Fraktionen, die meist wenn sie aufeinandertreffen sollten selten friedlich wieder auseinander gehen und gegenseitig oft erstaunlich wenig voneinander halten. Gemeint sind damit die „bösen“ Casuals, also das was viele auch gerne als Feierabendspieler bezeichnen und die selbsternannte Elite der Effizienzmaximierer, die sich häufig als den Spieleradel schlechthin betrachten – die „Pro Gamer“ also, bei denen manchmal deren Arroganz und ihr künstlich übersteigert-aufgebauscht wirkendes Selbstbewusstsein linear zum Anstieg der Gegenstandsstufe und Anzahl der Erfolge im Spiel zuzunehmen scheint, bis man getrost von einem Riesenego sprechen kann.
Da stellt sich doch die Frage: woher kommt das? Beide Fraktionen haben doch dasselbe Recht in WoW unterwegs zu sein, denn schließlich zahlen beide Monat für Monat dieselbe Abogebühr. Daraus folgt natürlich auch, dass beide Fraktionen von Blizzard entsprechend bedient werden wollen, und da die Wünsche und Bedürfnisse dieser Fraktionen denkbar unterschiedlich sind, sieht das dann auch im Detail sehr unterschiedlich aus.
Wieso aber begegnet man sich selten gegenseitig mit Respekt, wie es sein sollte, sondern bekommt der Casual häufig von der anderen Fraktion das Schimpfwork „Kacknoob“ an den Kopf geworfen und bedankt sich umgekehrt der Casual dann gerne bei dem mit der Standardantwort „Fang endlich mal das Arbeiten an, du Sozialschmarotzer!“? Das ist dabei die interessante Frage.
Kennt ihr nicht? Denke doch, früher oder später bekommt man genau diesen Graben einfach in WoW unweigerlich mit, ob man es nun will oder nicht. Fangen wir mal mit der genaueren Betrachtung der beiden Archetypen an.
Der Casual
Der typische Casual steht mit beiden Beinen fest und aktiv im Leben, hat möglicherweise Partner und Kind(er), arbeitet dazu viel und reichlich. Für ihn ist WoW vor allem eines: ein Spiel und ein liebes Hobby, das er betreibt um nach Feierabend ein wenig von der harten Arbeit und dem Rest entspannen zu können.
Er sieht dabei vieles recht locker, WoW ist für ihn keine Raketenwissenschaft und den Optimierungswahn vieler versteht er nicht wirklich noch hat er große Lust, dabei mitzumachen. Er sagt sich, dass WoW ein Spiel für Zwölfjährige ist, diese laufen auch mitunter zahlreich herum und wie schwer soll es daher schon sein können? Es ist für ihn leicht bekömmliche Massenkost, schließlich spielen es Millionen Menschen jeden Monat und wer wirklich geistig fordernde Spiele sucht, der spielt in seinen Augen besser Schach oder ähnliches.
Der typische Ansatz des Casuals ist einfach Learning by doing, indem er Sachen ausprobiert lernt er dazu, und zu gewissen Sachen wie Bossen erst ellenlange Beschreibungen lesen zu müssen ist seine Sache nicht, das ist schließlich doch auch flott und gut im Teamspeak erklärt.
Auch wenn für ihn WoW in erster Linie Spiel ist, und er nur bedingt bei den sportlichen Wettkämpfen in WoW mitmachen will, so erfreut sich der Casual doch auch wie jeder andere Mensch an Erfolgen. Der Mensch in seiner Funktion als Jäger und Sammler ist auch stark in ihm aktiv, auch er hätte natürlich gerne eine einigermaßen gute Ausrüstung, irgendwann mal erfolgreich vielleicht Todesschwinge besiegt und ähnliches mehr. Er zahlt ja Monat für Monat dafür, also ist das sein gutes Recht, die Frage ist nur wie er dahinkommt.
Der Pro Gamer
Der Pro Gamer hat vor allem eine Eigenschaft, die beim Casual in WoW viel weniger ausgeprägt ist: einen viel stärkeren Willen, sich mit den Grundmechaniken des Spiels auseinanderzusetzen, um bestehen zu können gepaart mit dem Willen, möglichst viel im Spiel reißen und erreichen zu können, sei es an Erfolgen, im PvP, Raids oder sonstwo.
Die Schwierigkeiten und Time Sinks, die dabei Blizzard einem in den Weg legt, nimmt er mit stoischer Gelassenheit hin, er macht es vielleicht nicht gerne, aber es gehört für ihn eben dazu, wenn er das Ziel erreichen können will, also nimmt er das in Kauf. Sicher ist, dass er dazu im Vergleich zum Casual deutlich mehr Zeit in des Spiel investiert und investieren muss, um auch das erreichen zu können, was er erreichen will.
Damit ist nicht automatisch gesagt, dass er nun kein sonstiges Leben neben WoW mehr hat oder ein Verlierer ist; er hat nur im Vergleich zu den Casuals mehr Zeit (vielleicht ist man ja gerade in Mutterschutz oder dergleichen) oder nimmt sie sich zumindest.
Er ist damit jemand, der meint zu wissen, was er tut und das auch vom Rest seiner Mitspieler erwartet, ja es voraussetzt, ebenso ein gehöriges Maß an Effizienz. Kann ein Mitspieler in seinen Augen nicht bestehen, dann reagiert er mitunter leicht gereizt bis genervt wenn nicht gar schlimmeres. Er verbeißt sich eben gerne so richtig in ein Problem, bis er es eines Tages geschafft und gelöst hat.
Das, was Blizzard den Casuals bietet, sitzt er locker auf der linken Arschbacke ab, langweilt ihn möglicherweise gar und fordert ihn nicht richtig. Was er will, das sind richtige Herausforderungen und nichts anderes!
Soweit, so gut
Nun, so in etwa sind die beiden Archetypen zu sehen. Natürlich gibt es immer Überschneidungen und niemand muss ausschließlich so gestrickt sein, wie hier beschrieben aber die unterschiedlichen Standpunkte werden so schon recht gut deutlich. Kennt man aber diese Standpunkte, dann kennt man auch die Konfliktfelder.
Das Problem der Casuals mit den Pro Gamern
Vielen Casuals sind die Pro Gamer eindeutig zu verbissen. Die Casuals sind oft der Meinung, die Pro Gamer betreiben das Spiel mit einer Inbrunst und Vehemenz, die vergessen lässt, dass es sich dabei noch um ein Spiel handelt sondern vielmehr ihr Leben. Dazu kommt, dass sie häufig die Pro Gamer in ihrem Auftreten und Gehabe als unglaublich arrogant und protzig empfinden, und das können sie dann erst recht nicht leiden.
Ja, auch ein Casual will natürlich gerne ab und an einen Erfolg und eine einigermaßen gute Gegenstandsstufe erreichen, um bestehen zu können und natürlich fühlt es sich auch gut an, wenn man solche Gegenstände erhält, davon lebt das Spiel ja schließlich. Nur finden sie es dann oft blöde, dass Blizzard in ihren Augen zu sehr auf die Bedürfnisse der Pro Gamer eingeht und die richtig guten Gegenstände dann erst in den heroischen Schlachtzügen reinpackt, wo die Pros meist fast immer unter sich sind, weil sie fieserweise – so sehen manche Casuals das dann – von den Pros ja fast nie mitgenommen werden.
Ginge es nach vielen Casuals, dann müsste da Blizzard eindeutig den Schwierigkeitsgrad runterschrauben und dafür sorgen, dass auch sie diese Objekte erwerben können. Sie haben keine Lust und oft auch nicht die Möglichkeit, die Zeit zu investieren, die mancher Pro ins Spiel reinsteckt, und fühlen sich da von Blizzard benachteiligt, denn zahlen sie schließlich nicht auch jeden Monat einen Haufen Geld fürs Spiel und haben damit als Teil der arbeitenden Bevölkerung ein Recht wie alle anderen auch darauf, alles erreichen zu können, was das Spiel so hergibt?
So erklärt sich denn auch eine der typischen Beleidigungen, die Casuals gerne den Pros an den Kopf werfen, eben die Arroganz, die viele nur als Aufbau von Scheinbewußtsein ansehen – denn was hat er sonst schon groß erreicht im Leben, wenn er in WoW quasi wohnt? – und den Vorwurf, zu wenig zu arbeiten bzw. gar nicht zu arbeiten, denn nur so könne man ja den ganzen Tag sinnlos und nutzlos in WoW rumhängen.
Das Problem der Pro Gamer mit den Casuals
Kann es den Casuals manchmal nicht einfach genug sein, so will der Pro Gamer ja richtig knackige Herausforderungen. Er erwartet neben dem Beherrschen und Wissen der eigenen Klasse Wissen ums Spiel, Zusammenspiel und größtmögliche Effizienz sowie optimale Ausrüstung.
Damit gehen die Probleme aber schon los: sollte mal ein Pro in eine zufällige Gruppe reingeraten, in denen eher Casuals aktiv sind, dann hat er erstens meist keine Lust groß die Sache zu erklären wie der Dungeon läuft – wozu auch, sieht doch ein Blinder mit dem Krückstock und zur Not gibts genügend leicht lesbare Infos dazu per Google, die man ja mal in einer ruhigen Stunde sich anschauen kann – und wenn es zu Fehlern oder in seinen Augen zu vielen Fehlern kommen sollte, gar noch zu einem Wipe reißt ihm mitunter endgültig der Geduldsfaden. Oft vergisst er dabei dann ganz, dass auch er mal klein anfing und auch er aus Fehlern klug wurde, nein da ist das Lieblingsschimpfwort, mit dem man um sich schmeißt, das inflationär gewordene „Du Noob!“, auch gerne in der Steigerungsform „Du Kacknoob!“
Daher bleibt der Pro Gamer, so gut es eben geht, lieber unter seinesgleichen wie die Casuals ja normal auch – und es kommt zur Gruppenbildung. Manchmal aber lässt sich der gegenseitige Kontakt eben doch nicht vermeiden.
Eine weitere Sache, die den Pro häufig wurmt ist, dass in seinen Augen das Spiel im Laufe der Zeit von Blizzard immer mehr und mehr „casualisiert“ wurde, also zu deutsch gehörig vereinfacht worden ist. Musste man sich noch früher richtig anstrengen, um gewisse Sachen zu erreichen (und er war damals schon mit dabei!), so wird es in seinen Augen den Leuten heutzutage viel zu einfach gemacht und möglicherweise gar in den Arsch geschoben. Das kann er erst recht nicht leiden, und dass es früher nur einer Erweiterung gab statt inzwischen vier interessiert ihn dabei nicht sonderlich weiter.
Sein Argument hat dabei ein wenig den Inhalt von „Ich bin früher im Winter täglich 15 km durch den Schnee zur Schule gegangen und ertrage es nicht, dass die Kinder nun heutzutage diese trockenen Fußes schneller und bequemer mit dem Schulbus erreichen können!“
Absolut kein Verständnis hat er denn auch vielleicht für gewisse Klassen in gewissen Positionen in gewissen Inis/Raids, Skillungen die nicht in seinen Augen dem Optimum entsprechen, und und und… zum guten Ton gehört für ihn, nicht nur eine Klasse auf Höchstniveau zu besitzen, sondern gleich mehrere parat zu haben, so dass wenn sein Stammraid mal gerade keinen Heiler hat, er das übernehmen kann und fertig. Flexibilität ist dabei das Zauberwort.
Der Casual ist damit für ihn häufig der erklärte Lieblingsfeind, der dafür sorgt, dass das Spiel ständig, stetig und überall immer einfacher wird, an Niveau verliert und überhaupt dafür sorgt, dass WoW Stück für Stück immer langweiliger für ihn wird.
Und nun?
Wenn WoW weiter bestehen bleiben will, dann muss natürlich Blizzard weiterhin beide Spielergruppen ausreichend gut bedienen. Das klingt einfacher, als es ist. Beide schotten sich zwar häufig weitestgehend voneinander ab, aber es gibt nach wie vor genügend Berührungspunkte.
Dabei gilt: beide zahlen Abogebühren und tragen somit zum Fortbestehen von WoW bei. Nun ist es sicherlich nicht einfach, eine Studie zu fahren, wieviele der selbsternannten Pro Gamer in WoW tatsächlich unterwegs sind und wieviel der Spieler mehr dem Lager der Casuals zuzurechnen ist, aber eines ist klar: ein bisschen mehr gegenseitiger Respekt würde Wunder wirken.
Dazu gehört, dass die Pros mal ihre Nase vielleicht nicht ganz so hoch wie sonst oft üblich in der Luft tragen, denn WoW ist und bleibt nunmal wirklich nach wie vor nur ein Spiel und nichts weiter und dass umgekehrt die Casuals aber auch sich vielleicht mal das eine oder andere sagen lassen oder bereit sind, es mal zu probieren bzw. nachzulesen. Damit wäre dann sicherlich beiden Seiten schon viel geholfen.
Da aber die Fronten oft zu festgefahren sind, ist das meist leider illusorisch.