Es gibt seit geraumer Zeit auf Telepolis zwei spannende Artikelserien, die noch in der Mache sind und die es sich zu lesen lohnt. Das eine ist eine Bestandsaufnahme dessen, was sich die bundesrepublikanische Demokratie schimpft von Wolfgang J. Koschnik. Und die hat es in sich.
Koschnik führt dabei in vielen Worten im Grunde das aus, was fast alle schon immer ahnten: wir da unten, die da oben. Dass das Volk im Grunde nur noch dafür gebraucht wird, alle paar Jahre sein Kreuz an der richtigen Stelle zu machen und ansonsten einfach bitte den Rand halten soll. Nur lässt er es eben nicht dabei bleiben, sondern kann seine Thesen eben auch belegen.
Koschnik sieht den grundlegenden Systemfehler in unserem Lande in der repräsentativen Demokratie. Als nach dem zweiten Weltkrieg das Grundgesetz gebaut wurde, da wollte man einerseits eine Demokratie haben, andererseits aber mißtraute man dem Volk. Wohl aus gutem Grund, immerhin hatte man gerade die Naziherrschaft hinter sich gebracht, mit verheerendem Ergebnis. Also wollte man ein starkes Parlament, den Bundestag, mit schwachen direktdemokratischen Elementen, um solch eine Radikalisierung zu vermeiden.
Und damit fängt schon das Problem an: solch ein Parlament kann nur dann funktionieren, wenn es auch wirklich einigermaßen den Bevölkerungsquerschnitt repräsentiert. Das ist aber beim Bundestag schon lange nicht mehr der Fall. Im Bundestag sitzen fast nur Beamte und Akademiker, wer da drin Facharbeiter, Bauern, Selbständige, ALG-II-Empfänger oder Hausfrauen und Mütter sucht, der sucht vergebens. All diese Bevölkerungsgruppen werden nur ungenügend im Bundestag repräsentiert, aber im Grunde macht er Entscheidungen für uns alle. Das ist eine deutliche Schieflage, die so nicht gut gehen kann.
Dazu kommt, dass er den Bundestag für einen Haufen von Schmarotzern hält. Das klingt erst einmal dramatisch, macht aber Sinn. Finanziell lohnt sich der Bundestag vielleicht für Studienräte, für andere weniger, naja und um überhaupt erst einmal reinzukommen, muss man die Ochsentour durch die Partei durchlaufen, sonst stellen die einen nicht auf. Und dann ist es am Ende so, dass auf dem Papier die Abgeordneten frei in ihren Entscheidungen sind, in Wirklichkeit aber der Fraktionszwang herrscht, der so in unserer Verfassung nie vorgesehen war. Das bedeutet nichts anderes, als dass bei fast allen Entscheidungen die Abgeordneten so abstimmen, wie die Fraktion es will.
Nur wenn das so ist, wozu brauchen wir dann noch unsere Abgeordneten? Die sind da im Grunde nur Staffage, es würde da locker ausreichen, die Fraktionen auf die wirklichen Entscheider zusammen zu schrumpfen und den Rest mit Arschtritt nach Hause zu schicken. Das wäre ein radikaler Schritt und Schnitt, und vielen würde dann mehr auffallen, was da schief läuft, aber im Grunde kann man sich problemlos 95% der Abgeordneten im Bundestag einfach sparen. Sie sind nutzlos, nicken nur ab, was die Fraktion vorgibt und damit braucht man sie nicht. Daher passt Schmarotzer schon ganz gut.
Beispielsweise meint Koschnik dies:
Es kommt auch nicht mehr auf die „richtige“ Partei an. Die Parteien gleichen einander und vertreten ihre eigenen Interessen, die sich deutlich von denen der Allgemeinheit unterscheiden und im Wesentlichen darin bestehen, ihre eigene Herrschaft und die Versorgung ihres politischen Personals dauerhaft zu garantieren.
Das sieht man ja immer und immer wieder. Dazu muss man nur mal nach Hessen schauen, wo auf einmal die total entkernten Grünen mit einer ultrarechten CDU die Regierung bilden. Ja, die Grünen, wofür standen die früher und was sind die nun heute? Nichts anderes als die grün lackierte, neue Partei der Besserverdiener. Mögen sie den Weg der FDP gehen – und tschüss.
Auch dafür gibt es einen Begriff, den der Allerweltsparteien oder „catch all“-Parteien. Ein Franz-Josef Strauß, der sicherlich kein Heiliger war, der hatte noch eines: grundfeste Überzeugungen, für die er stand und auf die man sich verlassen konnte, dass er da so schnell nicht davon abrückte. Aber gerade so etwas fehlt den meisten Politikern heutzutage und den Parteien, sie sind beliebig geworden und beliebig austauschbar. Und der Wahlkampf ist am Ende nur eine Inszenierung für das Volk um Unterschiede vorzugaukeln, die es in Wirklichkeit gar nicht mehr gibt.
Und vieles mehr. Sehr interessant zu lesen, durchaus mit einigen neuen Erkenntnissen, und es macht garantiert schlechte Laune. Was bleibt da im Grunde? Nur der Radikalschlag und durch etwas völlig neues ersetzen, vor allem mehr direkte Demokratie. Mal schauen, ein probater Weg wäre den Parteien die staatliche Finanzierung zu entziehen. Damit wären fast alle sofort weg vom Fenster.
„Merkelland“ wiederum ist eine Bestandsaufnahme von Arno Klönne jenseits der Jubelpresse, was denn momentan in der Bundesrepublik Sache ist. Auch da liest man vieles, was man im Grunde schon so immer vermutet hat und auch das macht garantiert schlechte Laune.