Über den Sinn und Unsinn von Freundschaften in virtuellen Welten

Eine Sache, die man häufig in virtuellen Welten, Plattformen und Spielen hört – egal ob Second Life, World of Warcraft, SWTOR und ähnlichem – ist dies: „Das sind doch meine Freunde, die kann ich doch nicht alleine lassen!“ Was aber ist eigentlich genau da dran?

Viele Menschen machen es sich in solchen Spielen ja inzwischen zur täglichen Übung, stundenlang miteinander per Sprache zu kommunizieren – ob dabei das Mittel der Wahl nun Skype, Teamspeak oder etwas völlig anderes ist, ist dabei herzlich egal. Sie sind täglich stundenlang miteinander im Kanal, reden über Gott und die Welt, erleben möglicherweise gemeinsam Dinge und das nennen sie dann schon Zusammengehörigkeit und Freundschaft!

Ich finde, das greift denn doch ein wenig kurz. Nur weil man sich gut versteht und stundenlang miteinander spricht und zusammen spielt, hat man noch längst nicht eine Freundschaft miteinander. Dazu gehört einfach ein wenig mehr. Damit eine Freundschaft entstehen kann, muss man sich gegenseitig genügend kennen und auch gegenseitig helfen. Nur – und damit beginnt es schon – haben viele genau auch eben darauf aus guten Gründen einfach keine Lust. Die arbeiten täglich Vollzeit, stehen mit beiden Beinen mitten drin im Leben und wenn sie abends ins Spiel ihrer Wahl gehen, dann ist das letzte, was sie erleben wollen, wenn da andere noch ihre RL-Probleme breit treten und hoffen, da auf irgendwelche Hobbypsychologen zu treffen, die ihre lädierte Seele streicheln.

Echte Freundschaft braucht nicht viele Worte und dadurch, dass man täglich stundenlang zusammen hockt und über allen möglichen Blödsinn redet, entsteht noch längst nicht automatisch eine. Viele merken das erst ziemlich spät beim ersten Streit, wenn dann das Gegenüber den einfachsten Weg geht, nämlich das neue Hassobjekt ganz einfach völlig zu ignorieren. So groß kann die Freundschaft dann ja wohl nicht gewesen sein!

Damit ist nicht gesagt, dass nicht so etwas wie echte Freundschaft in diesen Plattformen entstehen kann. Aber häufig ist es so, wenn man meint, eine Freundschaft mit jemanden zu haben, dass man dann in Wirklichkeit der Idee nachrennt, mit der Person eine zu haben und dies eben glaubt, es bestenfalls aber eine gute Bekanntschaft ist.

Damit echte Freundschaft in solchen Plattformen entstehen kann, benötigt es eben Zeit und gegenseitiges Vertrauen. Dies wächst mal nicht so eben über Nacht und ist ein langsamer, kontinuierlicher Prozess, aber es ist durchaus möglich. Dass es möglich ist, sieht man an den vielen Beziehungen, die durch solche Plattformen entweder entstanden oder in die Brüche gegangen sind.

Es passiert aber viel seltener eben, als man normal annimmt. Eine möglichst große Liste mit vielen Kontakten ist eben erst einmal nur genau das – eine fette Liste mit Kontakten, die sind deswegen noch längst nicht automatisch alle meine Freunde. Wenn jemand wirklich darunter zwei bis drei gute Freunde gefunden haben sollte, dann ist das schon viel. Wenn nicht, dann ist es das eben so, es besteht ja keine Garantie noch Anspruch noch Notwendigkeit, dass man so etwas in einem Spiel findet und viele benötigen das ja auch nicht, weil sie mit beiden Beinen feste genug im Leben stehen.

Freundschaft ist eben eine zarte Pflanze, die über die Jahre gehegt und gepflegt werden muss, bis daraus ein stattlicher Baum entsteht. Das Problem daran ist ganz einfach, dass viele den Begriff viel zu häufig verwenden und eine gute Bekanntschaft dann schon mit einer guten Freundschaft verwechseln. Dem ist eben nicht so, weder in diversen Spielen noch in Facebook!

Freunde bekommt man nicht eben mal so, dass man jemanden auf seiner Liste hinzufügt, sondern man muss dafür aktiv etwas tun, auch auf die Gefahr hin, dass einige einen enttäuschen werden und genau das werden einige sicher tun! Wer es aber nie probiert, der wird höchstwahrscheinlich auch niemals wirkliche Freunde in seinem Leben haben!

Besonders amüsant finde ich dann bei diversen Onlinespielen auch immer, wenn man damit aufhört, dass manche dann ja sagen: „Das sind meine Freunde, die kann ich doch nicht im Stich lassen!“ – Ach, ist das wirklich so? Viele Gilden gab es vor einem und wird es auch nach einem geben. Die werden vor einem und auch nach einem im Spiel das tun, was sie eben getan haben, häufig genug ist man ersetzbar und man ist nicht zwangsweise aufeinander angewiesen. Gerade vermeintliche Freunde, die einem dann zum Bleiben überreden wollen, sind in Wirklichkeit nämlich gar keine! Ein echter Freund frägt vielleicht nach den Gründen, wird aber die Entscheidung akzeptieren. Wer einen vom Gegenteil überreden will, der handelt meistens immer sehr egoistisch. Man geht eben eine gewisse Strecke irgendeines Wegs gemeinsam und dann trennen sich oft genug die Wege, ein Spiel ist eben nur ein Spiel und viele sind irgendwann damit einfach durch und fertig und gehen dann. Das sollte man akzeptieren und damit leben!

4 Gedanken zu „Über den Sinn und Unsinn von Freundschaften in virtuellen Welten“

  1. Ich erinnere dabei noch mal an den, von der Fachwelt spöttisch belächelten, von mir allerdings hochgeschätzten Wissenschaftler Professor Manfred Spitzer aus Ulm, der sich ebenfalls mal zu dem Thema geäußert hat.
    Die Ausreden mit denen die eigene Internetsucht relativiert wird sind manigfaltig. Eine Studie aus den USA aus dem Jahre 2005 unter über 3000 Teenagern zeigte aber, dass kaum jemand durch den Kontakte zu seinen „online Freunde“ Entspannung findet.

    1. Ach ja, die gute, alte Internetsucht. Das ist doch auch nur wieder einer dieser mannigfaltigen, neuen inflationären Suchtbegriffe, die die Therapeuten erfinden, damit sie auch noch morgen Brot zum Beißen haben.

      Sicher gibt es auch da Süchte, aber viel weniger, als allgemein kund getan wird.

    2. Bei Spitzer geht es vor allem um die veränderten Denkstrukturen bzw. die, die nicht mehr ausgebildet werden bei zu früher und übermäßiger Mediennutzung vor allem bei Kindern.
      Deshalb kann man den Netzkonsum von Erwachsenen und Kindern in keinster Weise vergleichen. Ein Erwachsener hat bereits ein (mehr oder weniger) funktionierendes Gehirn und Denken gelernt. Er kann und muss auch allein entscheiden, ob er ein Suchtproblem hat oder nicht.

    3. Nun ja, also es gibt Diagnosekriterien für Suchterkrankungen. Wenn die erfüllt sind, ist man suchtkrank. Ich persönlich denke dass die Mediensucht, wie sie tatsächlich heißt, deutlich häufiger ist, als sie bisher diganostiziert wirde. Das dürfte vor allem daran liegen, dass die Auswirkungen dieser Sucht sehr lange, recht gut kompensierbar sind und somit nicht zwangsläufig ein Leidensdruck für die Betroffenen entsteht.

      Ich denke auch dass die Zahl der maligne verlaufenden Mediensuchtfälle eher gering ist. So wie natürlich nicht jeder Raucher an Lungenkrebs stirbt und nicht jeder Alkoholiker an Leberzirrhose eingeht. Durch exzessive Mediennutzung erwirbt man sich sicher nicht den Habitus eines Methamphetamin-Useres. Aber wer täglich 10-18 Stunden vor dem Rechner hängt, wird dabei über kurz oder lang Sehstörungen bekommen, Haltungsschädeden davon tragen und die häufig eher unausgewogene Ernährung über Jahre wird dem Stoffwechsel sicher auch nicht förderlich sein.

      Die Aussage dass, erwachsenen Menschen das alles nicht soviel aus macht wie jungen Menschen/Kindern, halte ich für ungünstig, denn es ist nicht so, dass die Hirnentwicklung irgendwann aufhört, so wie das Knochenwachstum.

      Das Gehirn lernt ständig. Sowohl Fakten als auch Verhaltensweisen. Und es passt sich permanent den Gegebenheiten an. Sicher passt sich das Gehirn eines Kindes etwas schneller und effizienter an, als das Gehirn eines Greisen. Daraus aber abzuleiten dass Erwachsene gegen die Reize und Verführungen der multimedialen Welt immun wären ist falsch. Das jeder Mensch selbst entscheiden kann und muss ob er raucht, kifft, fixt, vegan lebt oder die Zeit mit WOW verzockt ist hingegen richtig.

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