Eine Premiere: ich als Richter

Gestern gab es für mich eine Premiere: ich arbeitete in meiner langen Laufbahn das erste Mal als Richter und urteilte in einem Prozess, den ich selber anzettelte. Der Hintergrund liegt nun etwa fünf Tage zurück und es ging dabei um einen Streit zwischen zwei Freien – eine Frau und ein Mann – der damit endete, dass der Mann die Frau eben mal so versklavte weil sie ihm vorher Saft ins Gesicht schüttete. Also so nicht dachte ich mir damals, und wenn man schon den Richterposten seit knapp einer Woche auf einmal innehat, kann man da doch sicher etwas daraus machen. Es war für mich eine Steilvorlage, die ich so nicht ungenutzt an mir vorüberziehen lassen wollte.

Gesagt, getan, als ich an dem Tag des Vorfalls davon erfuhr, schnappte ich mir erst einmal einige Mannen und befreite die Frau aus ihrer misslichen Lage und legte gleich nach kurzer Absprache den Termin für die Verhandlung fest: Montag, 21.03.2011 um 20:00 Uhr. In der Zwischenzeit hörte ich im Vorfeld dann noch alleine eine Zeugin des Zwischenfalls, um mir ein Bild über die genaueren Umstände des Vorfalls zu verschaffen.

Nun ist ja Prozess-RP auf Gor so eine Sache, und die Meinungen darüber gingen weit auseinander, wie denn nun so ein Prozess auszusehen habe. Ich selber informierte mich dann in der Schreibergruppe, las noch einige Notecards der „Gorean Legal Academy“ durch und es passte alles doch sehr in mein Bild von einem Prozess, wie ich es schon sowieso vorher hatte. Das Bild, das dabei entstand, war kurz und knapp: es gibt mindestens vier konkurrierende Rechtssysteme (Recht der Initiaten, Stadtrecht, Kastenkodex, Handelsrecht), wobei das Stadtrecht durchaus z.B. das Kastenrecht brechen kann. Für die Rechtspflege/sprechung sind auf Gor die sog. Magistraten zuständig, diese hören sich normal alle Seiten an, überlegen dann wie es vor dem Spiegel der Gesetze steht und fällen dann nach aller Abwägung ein Urteil. Das Urteil ist dann normal auch sofort zu vollstrecken und endgültig, es gibt keinen weiteren Rechtsweg mit Berufung, Revision und dergleichen mehr, auch keine Befangenheit des Richters und ähnliche Konzepte. Auch überlegte ich mir im Vorfeld schon in groben Zügen ein mögliches Urteil mit dem Ziel, dass man aus diversen Gründen beide Seiten mehr oder weniger gleichermaßen abwatscht.

Zuerst war ich dann in Second Life auf der Suche nach einer Halsgeige für zwei Avatare gewesen, um sie da reinzustecken, fand aber nichts, der Alternativplan war ein paar Handschellen, um sie aneinanderzuketten, aber auch da wurde ich nicht fündig.

Der Prozess selber begann dann pünktlich (!) gestern um 20:00 Uhr, es waren alle wirklich erschienen und dauerte keine zwei Stunden. Alle waren sehr diszipliniert bei der Sache, es gab kaum störende Emotes dazwischen, so dass man dem Chat gut folgen konnte. Es gab während des Verlaufs auch keine großen Überraschungen, alle Erzählungen stimmten gut miteinander überein und ich unterbrach dann den Prozess für 10 Minuten, um das Urteil zu formulieren und zu fällen.

Das Urteil im Namen des Heimsteins – in wessen Namen sollte man es wohl auch sonst auf Gor sprechen – fiel dann folgendermaßen aus:

  • die Frau leistete eine mittlere Geldsumme als Wiedergutmachung an die Stadtkasse und musste dem Mann die Reinigung seines Gewandes bezahlen,
  • der Mann wiederum musste der Frau eine neue Robe der Verhüllung besorgen.

Bis zu dem Punkte gab es für beide keine großen Überraschungen und beide waren froh, dass sie noch recht glimpflich davon gekommen waren, dann aber ging es zur Freude des Mannes erstmal damit weiter:

  • damit die Frau Demut lernt und um die Ehre des Mannes wiederherzustellen, bekommt sie vom Manne fünf Hiebe mit der Kurt, was direkt im Anschluss zu vollziehen ist.

Die Frau schluckte, da sie so etwas nicht erwartet hatte, den Mann freute es, da er so etwas auch nicht erwartet hatte und dann ging es aber noch damit weiter:

  • damit der Mann lernt, dass man nicht mal eben so eine Frau des eigenen Heimsteins versklavt, solange sie kein sklavenhaftes Verhalten an den Tag legt, muss er sie die nächsten drei Tage eskortieren und die Frau berichtet danach dem Richter, ob der Mann das auch eingehalten habe.

Bei dem Punkte wussten dann erst beide nicht so recht, so schien es mir, was sie davon halten sollten und für wen das nun wohl die größere Strafe ist, aber da müssen sie durch.

Zudem wurde noch festgesetzt, sollte einer der Punkte durch die Parteien nicht vollzogen werden, gibt es sofort zwei Tage Strafcollar der Stadt, um dann an der Stadtkette Dienst zu tun.

Danach schloss ich den Prozess und der gesamte Budenzauber dauerte keine zwei Stunden, aber ich denke es hatten mal alle was davon gehabt und durch das Urteil wurde keiner übervorteilt, so dass man durchaus sagen kann es war eine runde Sache. Es gab auch keinerlei OOC-Diskussionen oder Dramen, sondern war einfach mal nur ein schönes Spiel, bei dem auch alle dankenswerterweise sehr gut mitmachten. Also ich jedenfalls hätte so gegen einen netten Prozess alle zwei bis drei Monate nichts einzuwenden.

3 Gedanken zu „Eine Premiere: ich als Richter“

  1. *lacht* Großartiger Artikel, Barth. Sehr informativ und unterhaltsam *Daumen hoch. weil wieder was gelernt*
    Andererseits, da beide so schlecht wegkommen, kann ich es schon verstehen das die sich lieber „außergerichtlich einigen“ wollten 😉

    1. Danke, danke. *knicks* Naja, sie konnten ja nicht damit rechnen, dass sie beide ihr Fett wegbekommen werden, andererseits gibt es eben nun manchmal so Begebenheiten, wo beide es auch verdient haben, an die Kantare genommen zu werden. Wie das Leben eben so spielt… 🙂

  2. Ja, der Prozess war echt prima und es hat Spass gemacht mitzulesen und ein kliiitzekleines bisschen teilzuhaben.
    Ich wünsche mir noch weitere in Belnend erleben zu dürfen.
    Also jede Woche wäre übertrieben… aber so dann und wann….
    immerhin hat ja jeder Freie das Recht einen anderen zu verklagen 😉 Fast wie in RL.. *gg*

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