Dichterische Freiheit

Was, so glaube ich, vielen Lesern von allen möglichen Rollenspielblogs nicht bewusst ist, ist die Tatsache, dass die meistens ganz banale Tätigkeiten mit einem Glorienschein erzählerisch ausschmücken, der so im Spiel niemals statt fand. Einige Schreiber solcher Blogs haben darin eine gerade zu unerreichte Meisterschaft erlangt. Wenn man deren Rollenspielblogs liest und das mit dem Spiel vergleicht, wie man es erlebt hat, dann ist das oft ein dermaßen krasser Unterschied wie zwischen einem Drei-Sterne-Restaurant mit Menü und McFress.

Aus einem einfachen Satz wie: „Otto ging den gewohnten Weg von zuhause runter in die Stadt zum Markt“ wird dann auf einmal gleich ein halber Roman, so wie:

Otto ging mal wieder den mehrfach gewundenen, schlecht gepflasterten Weg von seinem halb verfallenem Haus in Richtung des städtischen Marktplatzes hinunter. Müde schlurfend setzten sich seine Füße in Bewegung, und das leise Geräusch beim Gehen war kaum wahrnehmbar, noch riß es ihn aus seinen Gedanken an seine verstorbene Frau Irmgard. Seine alten, abgelaufenen Lederschuhe hatten noch genug Sohle und keine Löcher, so dass ihm das Fühlen des kalten Steins an diesem Herbstmorgen erspart blieb. Einer trüben Suppe gleich versperrte ihm aber der Nebel die weitere Sicht auf seine Heimat, die zu ihm fast immer nur hart und ungerecht in seinem langem Leben war, was seine ohnehin schon schlechte Stimmung auch nicht weiter erhellte. Das typische Schreien der Marktweiber riß ihn abrupt aus seinen Gedanken, er war angekommen und machte sich behände auf die Suche nach neuem, irdenen Geschirr für seine bescheidene, kleine Küche.

Irgendwie so eben. Natürlich liest sich so etwas besser und erzeugt mehr Immersion, aber es birgt auch eine Gefahr, nämlich wenn man bereits so im Spiel in seiner eigenen Gedankenwelt gefangen ist, dass man gewisse plotwichtige Sachen im Spiel nicht formuliert, aber in seinem Blog und nur da. Das kommt sicher vor und ist nicht der Sinn der Sache.

Man sollte also beim Lesen von Rollenspielblogs immer daran denken, dass da sehr viel dichterische Freiheit mit schwingt und die meisten Sachen so, wie im Blog geschrieben, im Spiel niemals stattfanden. Sonst geht man möglicherweise auf eine Sim und erwartet ein Mörderspiel, wenn man dann aber sieht, die kochen ja auch nur mit Wasser, ist man möglicherweise zu recht enttäucht.

 

16 Gedanken zu „Dichterische Freiheit“

  1. Die Blogs über die Rollenspiele (mit den ganzen OOC-Hintergründen und dem ganzen OOC-Gestresse) zu lesen, ist meistens eh viel interessanter und unterhaltsamer, als die aktive Teilnahme an Rollenspielen als solchen.

  2. In einem für mich neuen Setting fält mir anfänglich das komplexe RP schwer und ich halte mich lieber kurz, besonders unter mir fremden RPlern und Gruppen mit mehr als zwei Personen. Da ich in meinem Blog normalerweise aber mein RP nicht gross ausschmücke werden solche Momente dort auch meist weniger bedacht. Mich stört das ausschmücken in Blogs zwar nicht, aber wie auch im RP lege ich mein Augenmerk auf die wichtigen Dinge und bestimmt nicht aufdie Randbemerkungen.
    Bei zu ausführlichen Texten geschieht es eher das ich nur überfliege und so schnelk wichtiges übersege, was ärgerlich sein kann.
    Was mich da ic eher kekst sind Gedanken emotes, die mich direkt ansprechen, die ich aber nicht nutzen kann. Dann lieber übertrieben blumig statt unlogisch 😉

  3. schlimmer finde ich Blogger, die in ihrem Blog über Leute herziehen und dann Kommentare blocken. Das ist wie „Zunge rausstreck und weglauf“ oder „duckt sich“ oder wie das geht. :)oder volles Risiko und spielen und dann auf Limits im Profil pochen.

  4. Ich les sowas ja gern. Also Ausgeschmücktes.

    Was ich total seltsam finde sind Beiträge, die vor lauter Angst jemand könne OOC Wissen verwenden, so kryptisch sind, dass man keinen Sinn mehr entnehmen kann, außer einer Suggestion von „wir tun aufregende, geheime Dinge im RP“.

    Aber wie Devlin schon schrieb, viel schlimmer find ich OOC Gekreisch und private Auseinandersetzungen, die so öffentlich gemacht werden. Das ist ähnlich stivoll wie lautes Telefonieren im voll besetzten Bus.

  5. Hehe ja, viele schreiben ausschließlich aus ihrer inneren und erzählerischen Perspektive und beachten dabei nicht, dass Blogs sich an Leser richten und Zusammenhänge von Spielereignissen erklärt werden sollten – wenn man denn schon meint, sie öffentlich machen zu müssen. Sonst erschließt sich das nicht. Versteht kein Schwein dann. Aber manches erschließt sich sowieso nie.

    Ich weiß zB bis heute nicht, was „invalid“ eigentlich heißt. Schon früher nicht, als mir zum ersten mal wer sagte „Euer Raid war invalid“, wozu ich sagte „Und? Und was? Und was passiert jetzt, gehört und Eure SIM nun doch nicht, oder wie?“ Oder „Der Kill war invalid!“ Ja mei, steh halt wieder auf, Blödmann, diskutier nicht und nerv nicht. Aber gut, anderes Thema.

  6. Fantasie ist etwas Tolles und ich lese fantasievolle RP Berichte auch gerne. Das RP gibt oft den Rahmen und die Handlung vor und im Bericht kann man das dann ausschmücken. In einem früheren SL Leben habe ich mal in slinfo.de Berichte über mein damaliges Gor RP geschrieben. „Postkarten einer Kajira“ hiess das und das Meiste dort drin hatte ich im RP erlebt, aber nie alle Details.

  7. offen gesagt, ich gehöre zu den leuten, die im blog gerne ausschmücken und im rp eher, sagen wir mal, knackige emotes verwenden. das hat einfach den grund, es dauert mir zu lang, einen 10-zeilen-emote über die stellung meines linken kleinen zehs bei vollmond zu verfassen o. ä., das tue ich dann im blog. der dient ebenso dazu, einige informationen zu vermitteln, die eben nicht erspielt wurden bzw. gar nicht erspielt werden konnten. z. b. bei unserer geplanten zusammenlegung von 2 rps zu einem. und nun?
    fakt ist, wer ein 1:1-rp nach dem blog erwartet ist selbst schuld.

  8. Naja im RP selbst muss man immer abwägen. Wieviel Leute sind beteiligt, wie ist der Fluss im RP, wieviel schreib ich damit ich den Anschluss nicht verpasse oder die anderen 5 Minuten warten lasse. Ausschmücken im Blog find ich ok. Das eine ist Blog das andere ist RP. Ich hab für mich selbst die Regel aufgestellt, das ich was die Emotionen und Beweggründe meines Chars angeht ausschmücken kann was ich mag. Aber an Aktivitäten halte ich mich und orientiere mich am RP. Es ist wie mit Force RP – für mich selbst darf ich ausschmücken und aufblähen was ich will. Die Umgebung in den schillernsten Farben ausmalen. Ich kann auch interpretieren. Was das ein oder andere gesagte für meinen Char bedeutet. Nur wenn man Begebenheiten ausführt die andere mit betreffen und in der Form nie abgesprochener oder ausgespielter Bestandteil des RPs waren wird es kritisch. Vor allem wenn sie in irgendeiner Form die Gedanken und Aktivitäten eines Anderen in eine von mir selbst gewünschte Richtung drängen.

  9. Diese Form der Ausschmückung im RP nennt man „Fluff“. Eine wunderbare Sache, solange dieser mit dem tatsächlichen Gesehen übereinstimmt und dieses lediglich durch persönliche Eindrücke erweitert – und in einem Blog deutlich angenehmer, als in einem Emote, das lediglich inneren Monolog anstatt einen Ansatzpunkt zur Reaktion beinhaltet.
    In dem IC-Beitrag eines Blogs erwarte ich auch keinen Tatsachenbericht, sondern eine Schilderung aus der IC-Perspektive des Avatars, wenn es sei, auch komplett mit Eindrücken, Empfindungen, Gedanken, Meinungen und Bewertungen (die mit denen des Spielers nichts zu tun haben müssen).

  10. Also klar ist doch, das man normalerweise nen Blog aus Freude am Schreiben führt. So geht es zumindest mir so. Daher auch mein Kommentar oben. Gruppenrp = kurze Emotes, Duorp = längere auf mein Gegenüber abgestimmte Emotes. Allerdings bin ich auch froh darüber, das ich für meine Blogstories mehr Ruhe habe als im RP, weil ich manchmal aufgrund Müdigkeit oder neuem Setting relativ wirr RPn kann und mir mein gegenüber durchaus Leid tut in dem Moment. Klagen kamen nu noch nicht, aber wer weiß 😉

  11. Ich finde in einen Blog der die Geschichte erzählt gehören die Ausschmückungen rein. Schlimmer finde ich wenn solche Auschmückungen im RP stattfinden… Mich interessiert nicht wenn mein gegenüber emotet welche Farbe seine Socken haben und welche Bohne ihm als Furz quer hängt. Nicht falsch verstehen ich habe nichts gegen Paraemoter die eine Situation im RP gut umschreiben aber ich hab was gegen Leute die DIN A4 Seiten Emoten über Mist den keiner wissen will.

  12. Ausschmücken schön und gut, wenn aber quasi falsche Tatsachen vorgegaukelt werden, dann hat das eben ein Geschmäckle. Zu oft schon selbst erlebt, als ich mir beim Lesen verwundert die Augen gerieben habe, ob des Gedankens eventuell doch in einem parallelen RP-Universum unterwegs gewesen zu sein. Meist sind es sowieso die gleichen Protagonisten, die damit auffallen und um Aufmerksamkeit heischen. Viel Spass damit weiterhin 🙂

  13. Der eine öffnet ein Buch und es entfaltet sich ein orientalischer Garten, der andere öffnet ein Buch und sieht schwarze Zeichen auf weißem Papier.
    Ansonsten, zur Theorie, hat Te-ah-tim-eh schon alles Relevante gesagt.

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