And now for something completely different

Durch Zufall fand ich in meinem Feedreader irgendwo dieses Interview von Ken Jebsen mit Willy Wimmer (CDU), der u.a. parlamentarischer Staatssekretär beim Verteidigungsminister unter Kohl war. Es dauert 90 Minuten und geht um das Thema Europa, Ukraine und die USA, aber vor allem was die USA eigentlich wollen und wieso sich Europa gerade so darstellt, wie es eben ist. Interessant und man wird davon nicht dümmer, außerdem spricht Wimmer Klartext und nicht das übliche, leere Politikerblabla.

http://www.youtube.com/watch?v=8B1sctKCvxI

Die Piraten – klarmachen zum Kentern!

Liebe Piraten,

eine Zeit lang war es ja wirklich schön mit euch. Ihr hattet tolle Ideen, die richtigen Ideale und wolltet viel in der Politik bewegen. Ihr habt frischen Wind in die verkrustete Politiklandschaft Deutschlands gebracht, es aus dem Stand sogar in viele Landesparlamente geschafft, Netzpolitik, das war euer Ding, Basisdemokratie, genau, Liquid Feedback und ihr wolltet alles besser, transparenter, schöner machen als der Rest der etablierten Parteien.

Eine Zeit lang ist euch das auch gelungen, und ihr hattet für eine junge, politische Kraft eine beachtenswerte Siegesserie in den Länderparlamenten gehabt. Eure Gründung jährt sich in diesem Jahr zum achten Mal, und von dem anfänglichen Schwung und Elan ist leider nicht mehr viel übrig geblieben.

Ihr habt leider bis heute nicht verstanden, dass die eigenen Vorstellungen und Ideen noch so gut sein können, wie es nur geht, solange man keine vorzeigbaren Köpfe hat, die diese medial gut präsentieren können, geht man irgendwann eben unter. Oder noch schlimmer, wenn man die falschen unvorzeigbaren Köpfe hat, die sich aber nur allzu gerne zeigen, dann macht einen der politische Gegner nur zu leicht fertig, wo es nur geht. Diesen unvorzeigbaren Kopf gab es leider bei euch und sein Name ist Johannes Ponader. Dieser Mann hat euch, eurer Partei und euren Ideen mehr geschadet, als euch lieb sein kann und ihr habt wahrscheinlich bis heute überhaupt nicht begriffen wie sehr, denn ansonsten hättet ihr den längst nicht solange in seinem Parteiamt machen lassen.

Ponader ist zwar inzwischen auch schon längere Zeit Geschichte, von der Delle aber, die er eurer Partei verpasst hat, habt ihr euch bis heute nicht erholt. Ein alter Spruch lautet „Hinfallen ist keine Schande, sondern gehört einfach zum Leben dazu, nicht danach Aufstehen dagegen schon“ – ihr seid hingefallen und seitdem nicht mehr richtig aufgestanden. Es ist euch in 2013 nicht gelungen, die bis dahin anhaltende Siegesserie fortzusetzen. Es gelang kaum noch ein Einzug in Länderparlamente und in den Bundestag erst recht nicht.

Und seitdem herrscht weitestgehende Funkstelle über euch in den Medien. Gut, bis auf das eine Interview nun vom Berliner Lauer in der TAZ vielleicht, aber eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Ihr seid nicht mehr die Neulinge, über deren Erfolge man sich erregt und an denen man sich reibt, denn Erfolge habt ihr schon seit einiger Zeit nicht mehr vorzuweisen. Ihr seid teilweise in den Parlamenten angekommen und seid damit Teil des Establishments geworden, gegen das ihr angetreten wart, und zeigt nun wie in Berlin massive Auflösungserscheinungen.

Und da muss ich schon einmal im achten Jahr eures Bestehens die Frage an euch stellen: war es das nun mit euch, oder schafft ihr es endlich mal, euch neu zu erfinden? Ihr habt einige Zeit lang wirklich den Politikbetrieb gehörig aufgemischt und neue Impulse rein gebracht, ihr habt Leute wieder zurück an die Wahlurnen gebracht und oder gar erstmals an die Urnen gebracht, die es sonst im Leben nicht mehr vorgehabt hätten. Das ist zweifelsohne euer Verdienst.

Aber das alleine ist auf Dauer zu wenig; wo sind eure Köpfe, wo sind eure Visionen, wo eure Pläne, eure Ziele für 2014 und darüber hinaus? Wenn man heute noch über die Piraten etwas liest, dann hat man das Gefühl, es mit einer im Dämmerschlaf dahin vegetierenden Partei zu tun zu haben, die in der Realität angekommen ist und nun langsam, aber friedlich den Weg aus den Parlamenten antritt. Eine Partei ohne Elan, ohne große Vision und völlig ohne jede Hoffnung auf die Zukunft. Und solche Parteien hören einfach irgendwann von selber zu existieren auf, puff – weg sind sie.

Ich bin mir nun sicher, ihr werdet auch euren zehnten Geburtstag noch erleben, aber wenn ihr so weiter macht, dann halte ich es für fraglich, dass es euch in fünf Jahren von jetzt an als politische Kraft, die etwas bewegen kann, noch gibt.

Ihr wart eine nette Idee, aber wenn ihr jetzt nicht zeigen wollt, dass ihr mehr seid als das und vor allem auch liefern könnt, dann ist euer Kentern verdient und gerechtfertigt. So ist das eben in einer Demokratie, man muss sich bei jeder Wahl um die Stimme des Wählers neu bemühen und bewerben, und eure Anstrengungen sind da inzwischen sehr gering. Denn eine Partei, die sich hauptsächlich nur noch um sich selber dreht, braucht letzten Endes keiner.

Denkt einmal darüber nach.

Mit freundlichen Grüßen,

ein Demokrat und Wähler

PS: solange die Piraten in den Medien nur noch durch Aktionen wie den Streik vor kurzem auf sich aufmerksam machen, diese den Prozess des Niedergangs dokumentieren und ihr nicht mehr mit Sachthemen darin präsent sein, wird das auch nichts mehr werden.

Back to the future

Fraglos ist das Parlament als ‚Legislative‘ und als Körperschaft, in der Volksinteressen gesetzgeberisch Ausdruck finden sollten, gegenüber der ‚Exekutive‘ bis zur Bedeutungslosigkeit herabgesunken. Es ist nicht mehr in der Lage, selbständig Entscheidungen zu treffen, da es als Ganzes nicht mehr an den konkreten Vorbereitungen der Gesetze und an der Aufarbeitung des Materials beteiligt wird.

Auch im Parlament bilden sich oligarchische Zentren, die den größten Teil der Abgeordneten aus dem engeren Informationskreis ausschließen und so den Eintritt in den eigentlichen Entscheidungsmechanismus verwehren. …

Überall in der westlichen Welt kann – hinter der Fassade verfassungsmäßig ausgewogener Gewalten- und Kompetenztrennungen – eine weitgehende Symbiose der Parlamentsführung mit den Spitzen des Exekutivapparates beobachtet werden… Der ‚harte Kern‘ des Parlaments wird jedoch nicht entmachtet. Nicht alle Entscheidungen werden ‚anderswo‘ getroffen, da ein Teil der entscheidenden Gruppen wenn nicht als Parlament, so doch im Parlament wirkt. …

Und genau das ist für eine erfolgreiche Herrschaftsmethode unerlässlich: dass ein Teil der politischen und gesellschaftlichen Oligarchien sichtbar im Parlament tätig (also dem Schein nach öffentlich kontrollierbar), sichtbar vom Volke gewählt (damit zum Herrschaftsakt demokratisch legitimiert) und sichtbar Träger von Macht (und in der Lage, moralisch verpflichtende Wählerwünsche durchzusetzen) ist.

Wäre dem anders, würde die Bevölkerung sich gar nicht auf das parlamentarische Spiel einlassen, und sie würde die Wahlen nicht mehr als den wesentlichen Ausdruck ihrer politischen Freiheit betrachten. Mit einem Wort: erst die Präsenz der Macht im Parlament (und nicht etwa: die Macht des Parlaments) ermöglicht die Erfüllung der Aufgaben, die ihm als Organ (als Ganzem) zukommen.

Johannes Agnoli: Die Transformation der Demokratie  (1967)

Ach diese bösen Schweizer…

Wat sind wir Deutsche nun darüber empört, ja EMPÖRT!, dass die Schweizer mit uns Deutschen verfahren wollen wie die Deutschen sonst gerne mit Leuten aus Rumänien&Co. verfahren würden. Ha ha und ha.

Im Grunde will die Initiative das, was Deutschland auch gerne hätte, aber sich bisher zu schade ist, das wirklich zu praktizieren: eine gelenkte Zuwanderung. Nicht mehr und nicht weniger. Das macht das Land weder per se ausländerfeindlich, überhaupt sollte da Deutschland bei sowas lieber schön ruhig sein (man schaue sich nur mal die Kampagne gegen Griechenland im Stürmer v2, also der BLÖD an), noch sonst was. Das Volk hat entschieden und da soll man nun mal nicht so einen Bohau darüber machen.

Interessanter als das, was in der Schweiz passiert, ist für mich gerade die Frage, was man bei uns politisch vertuschen will und deswegen lässt man das gerade so hoch kochen. Irgendwelche Ideen außer den neuen Stromtrassen?

Ich habe gelesen: „Das Merkelland – eine politische Besichtigung“ sowie „Eine Demokratie haben wir schon lange nicht mehr“

Es gibt seit geraumer Zeit auf Telepolis zwei spannende Artikelserien, die noch in der Mache sind und die es sich zu lesen lohnt. Das eine ist eine Bestandsaufnahme dessen, was sich die bundesrepublikanische Demokratie schimpft von Wolfgang J. Koschnik. Und die hat es in sich.

Koschnik führt dabei in vielen Worten im Grunde das aus, was fast alle schon immer ahnten: wir da unten, die da oben. Dass das Volk im Grunde nur noch dafür gebraucht wird, alle paar Jahre sein Kreuz an der richtigen Stelle zu machen und ansonsten einfach bitte den Rand halten soll. Nur lässt er es eben nicht dabei bleiben, sondern kann seine Thesen eben auch belegen.

Koschnik sieht den grundlegenden Systemfehler in unserem Lande in der repräsentativen Demokratie. Als nach dem zweiten Weltkrieg das Grundgesetz gebaut wurde, da wollte man einerseits eine Demokratie haben, andererseits aber mißtraute man dem Volk. Wohl aus gutem Grund, immerhin hatte man gerade die Naziherrschaft hinter sich gebracht, mit verheerendem Ergebnis. Also wollte man ein starkes Parlament, den Bundestag, mit schwachen direktdemokratischen Elementen, um solch eine Radikalisierung zu vermeiden.

Und damit fängt schon das Problem an: solch ein Parlament kann nur dann funktionieren, wenn es auch wirklich einigermaßen den Bevölkerungsquerschnitt repräsentiert. Das ist aber beim Bundestag schon lange nicht mehr der Fall. Im Bundestag sitzen fast nur Beamte und Akademiker, wer da drin Facharbeiter, Bauern, Selbständige, ALG-II-Empfänger oder Hausfrauen und Mütter sucht, der sucht vergebens. All diese Bevölkerungsgruppen werden nur ungenügend im Bundestag repräsentiert, aber im Grunde macht er Entscheidungen für uns alle. Das ist eine deutliche Schieflage, die so nicht gut gehen kann.

Dazu kommt, dass er den Bundestag für einen Haufen von Schmarotzern hält. Das klingt erst einmal dramatisch, macht aber Sinn. Finanziell lohnt sich der Bundestag vielleicht für Studienräte, für andere weniger, naja und um überhaupt erst einmal reinzukommen, muss man die Ochsentour durch die Partei durchlaufen, sonst stellen die einen nicht auf. Und dann ist es am Ende so, dass auf dem Papier die Abgeordneten frei in ihren Entscheidungen sind, in Wirklichkeit aber der Fraktionszwang herrscht, der so in unserer Verfassung nie vorgesehen war. Das bedeutet nichts anderes, als dass bei fast allen Entscheidungen die Abgeordneten so abstimmen, wie die Fraktion es will.

Nur wenn das so ist, wozu brauchen wir dann noch unsere Abgeordneten? Die sind da im Grunde nur Staffage, es würde da locker ausreichen, die Fraktionen auf die wirklichen Entscheider zusammen zu schrumpfen und den Rest mit Arschtritt nach Hause zu schicken. Das wäre ein radikaler Schritt und Schnitt, und vielen würde dann mehr auffallen, was da schief läuft, aber im Grunde kann man sich problemlos 95% der Abgeordneten im Bundestag einfach sparen. Sie sind nutzlos, nicken nur ab, was die Fraktion vorgibt und damit braucht man sie nicht. Daher passt Schmarotzer schon ganz gut.

Beispielsweise meint Koschnik dies:

Es kommt auch nicht mehr auf die „richtige“ Partei an. Die Parteien gleichen einander und vertreten ihre eigenen Interessen, die sich deutlich von denen der Allgemeinheit unterscheiden und im Wesentlichen darin bestehen, ihre eigene Herrschaft und die Versorgung ihres politischen Personals dauerhaft zu garantieren.

Das sieht man ja immer und immer wieder. Dazu muss man nur mal nach Hessen schauen, wo auf einmal die total entkernten Grünen mit einer ultrarechten CDU die Regierung bilden. Ja, die Grünen, wofür standen die früher und was sind die nun heute? Nichts anderes als die grün lackierte, neue Partei der Besserverdiener. Mögen sie den Weg der FDP gehen – und tschüss.

Auch dafür gibt es einen Begriff, den der Allerweltsparteien oder „catch all“-Parteien. Ein Franz-Josef Strauß, der sicherlich kein Heiliger war, der hatte noch eines: grundfeste Überzeugungen, für die er stand und auf die man sich verlassen konnte, dass er da so schnell nicht davon abrückte. Aber gerade so etwas fehlt den meisten Politikern heutzutage und den Parteien, sie sind beliebig geworden und beliebig austauschbar. Und der Wahlkampf ist am Ende nur eine Inszenierung für das Volk um Unterschiede vorzugaukeln, die es in Wirklichkeit gar nicht mehr gibt.

Und vieles mehr. Sehr interessant zu lesen, durchaus mit einigen neuen Erkenntnissen, und es macht garantiert schlechte Laune. Was bleibt da im Grunde? Nur der Radikalschlag und durch etwas völlig neues ersetzen, vor allem mehr direkte Demokratie. Mal schauen, ein probater Weg wäre den Parteien die staatliche Finanzierung zu entziehen. Damit wären fast alle sofort weg vom Fenster.

„Merkelland“ wiederum ist eine Bestandsaufnahme von Arno Klönne jenseits der Jubelpresse, was denn momentan in der Bundesrepublik Sache ist. Auch da liest man vieles, was man im Grunde schon so immer vermutet hat und auch das macht garantiert schlechte Laune.