Waschen, schneiden, legen: „aber Goreaner achten das Leben!“

Aus aktuellem Anlaß muss ich mich gerade mal wieder mit einem der häufigsten Mißverständnisse im goreanischen Rollenspiel auseinandersetzen, welches mir inzwischen zum Halse raushängt und schon jeder im Laufe seiner Karriere mindestens einmal gehört hat. Dieses wird dabei wie ein Schutzschild genutzt, im Rollenspiel allen möglichen Unsinn möglichst ungestraft anstrengen zu können, der normalerweise dicke Folgen haben müsste. Es lautet:

Aber die Goreaner achten das Leben über alles!

Falsch gedacht! Reden wir von denselben Goreanern, die Norman in seinen Büchern beschreibt oder irgendeiner Drogen kiffenden Hippiekomune, die in einem Bus Rudelbumsen praktiziert?

Norman schreibt schon im ersten Band des Gorzyklus über die allgemein anerkannten und praktizierten goreanischen Gebräuche und Gepflogenheiten im Falle der Einnahme einer Stadt durch den Feind dies:

Pa-Kur, for his part, demanded and was granted the usual savage fees imposed by the Gorean conqueror. The population would be completely disarmed. Possession of a weapon would be regarded as a capital offense. Officers in the Warrior Caste and their families were to be impaled, and in the population at large every tenth man would be executed. The thousand most beautiful women of Ar would be given as pleasure slaves to Pa-Kur, for distribution among his highest officers. Of the other free women, the healthiest and most attractive thirty percent would be auctioned to his troops in the Street of Brands, the proceeds going to the coffers of Pa-Kur. A levy of seven thousand young men would be taken to fill the depleted ranks of his siege slaves. Children under twelve would be distributed at random among the free cities of Gor. As for the slaves of Ar, they would belong to the first man who changed their collar.

So steht es in Kapitel 17. Und für alle, die des Englischen nicht mächtig genug sind, eine Übersetzung. Pa-Kur ist der Meisterassassine aus Ar übrigens, und wenn der schon so mit seiner Heimatstadt selbst umgeht, dann lässt das doch sehr tief blicken!

Pa-Kur für seinen Teil verlangte und bekam die üblichen Tributzahlungen eines goreanischen Eroberers. Die Bevölkerung wird komplett entwaffnet. Der Besitz einer Waffe wird als Kapitalverbrechen angesehen. Offiziere der Kriegerkaste und deren Familien werden gepfählt, sowie jeder zehnte Mann der Gesamtbevölkerung [der eroberten Stadt] hingerichtet. Die tausend schönsten Frauen Ars werden Pa-Kur als Lustsklavinnen geschenkt, damit er sie unter seinen Ranghöchsten verteilen kann. Von den anderen freien Frauen werden die gesundesten und schönsten 30% in der Street of Brands an seine Truppen versteigert, wobei die Einnahmen direkt an Pa-Kur gehen. Eine Gruppe von 7000 jungen Männern wird hergenommen, um die leeren Reihen seiner Belagerungssklaven wieder aufzufüllen. Kinder unter zwölf Jahren werden zufällig auf die anderen Städte Gors verteilt. Was die Sklaven von Ar anbelangt, so gehören sie dem ersten Mann, der ihnen sein Collar anlegt.

Was lernen wir daraus? Die Dezimierung, eigentlich eine römische Militärstrafe der Antike, wird auf die Gesamtbevölkerung angewandt und auch ansonsten ist man nicht gerade zimperlich, wenn man mal so eben ganze Familien pfählt, „nur“ weil sie in der Kriegerkaste sind. Es herrscht das Prinzip „teile und herrsche.“

Das ist das Gor, von dem wir reden, und unnötig zu erwähnen, dass die Bücher nur so von Kämpfen und Schlachten triefen. Wo ist da nun für „aber die Goreaner achten das Leben“ wirklich Platz? Da wird die Wahl doch eng.

Im Grunde ist es so: die Goreaner achten in der Tat das Leben, aber vor allem und zuerst das eigene und das Wohl ihrer Familie. Dann kommt in der Regel der Heimstein und damit hat sich dann meistens die Sache auch schon.

Wenn man auf Gor einem Geächteten ein Schwert auf offener Straße in den Arsch rammt, dann sagen nicht alle „ach wie furchtbar, alle Goreaner achten doch das Leben“, sondern die Menge reagiert entweder eben gar nicht, weil es normal ist oder sie spendet begeistert Beifall, endlich mal wieder ein Kampf und was Abwechslung vom Alltag. Und wenn man sich an Sklaven vergreift, dann interessiert das nunmal überhaupt keinen, da diese bestenfalls als Tiere angesehen werden und komplett rechtlos sind.

Das ist der eigentliche Geist Gors, wenn man es so nennen will – und „aber die Goreaner achten doch das Leben“ gehört in die Mülltonne der Onlineismen und schlechten Legenden.

Und noch einen, weil es so schön ist:

…the first thing a Gorean warrior is likely to do to the stranger in his tent is kill him, the second is to find out who he is. (Tarnsmen of Gor).

Was auch völlig logisch ist, wenn der in der Nähe eines Schlachtfeldes sein Nachtlager bezogen hat.

5 Gedanken zu „Waschen, schneiden, legen: „aber Goreaner achten das Leben!““

  1. Schön, dass es noch mal jemand sagt. Was ich noch anmerken wollte… Wäre SL-Gor wenigstens eine RUDELbumsende Hippiekommune, dann wäre schon viel gewonnen. Aber unsere Gor-Hippies sitzen meist eher in monogamen Strukturen hinterm Jägerzaun und züchten Gartenzwerge in Kastenfarben. Die Gefährtenschaftsfeiern erinnern mich immer schmerzlich an Eheschließungen in Las Vegas mitsamt grauenvollen Plastikblüten, die von benachteiligten Menschen mit den Füßen zusammengeklebt wurden.

    1. Jo, mir kam es eben, da ich im RP mit einer Hochschwangeren zu tun hatte, die allen möglichen Zeug spielte und sich hinter ihrer Kugel verschanzte, nach dem Motto „Ich kann alles, ihr aber könnt mir mix.“ Ich hatte genug Gründe, sie valide zu töten es dann aber sein gelassen, da so etwas nur ein massives Drama Marke „wie könnt ihr nur, ihr Perversen“ gäbe.

  2. Man darf sie aber gewaltsam entführen nur darf man sie nicht zu hart ansprechen oder ihr gar Angst einjagen. Wobei da die Spielerin nicht mal schuld am Dilemma ist. Szenario ist das die Frau gefangen ist man sie aber bewirtet wie in einer Nobelherberge und sie unter allen Umständen geschont werden muss. Um das dann durchzusetzen stellen sich Mitbürger hin die tage zuvor selbst noch hinter der Frau her waren und das auch wenig feinfühlig. Das wäre alles ja auch noch irgendwie nachvollziehbar wenn besagter Krieger nicht OOC gegangen wäre. Und schon war das feinste Theater wieder da.

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