In der Nachlese des Prozesses vom vergangenen Montag kam mir wieder ein Gedanke brennend zurück ins Gedächtnis, den ich schon länger habe: wir sind alle viel zu nett im Rollenspiel ! Wirklich!

Ich meine, es ist ja eine total andersartige, raue Welt, in der wir uns aufhalten. Also muss normal auch die Sprache, derer man sich bedient, entsprechend klingen und auch ein großes Gefälle zwischen den Kasten geben. Ein Schreiber als Meister des geschliffenen Wortes hat natürlich einen anderen Wortschatz drauf als meinetwegen ein Bauer, und das muss man dann auch entsprechend hören können. Und Schreiber unter sich werden sicherlich auch respektvoller miteinander umgehen als meinetwegen ein Schreiber gegenüber einem Bauern, der ja mit die niederste Kaste überhaupt hat.

Auch ansonsten wäre weniger Benimm für das Rollenspiel eine interessante Möglichkeit, würde unsere Welt noch farbiger und lebendiger gestalten helfen. Ich machte es ja im Prozess vor, indem ich einfach mal mit der Faust auf den Tisch haute, als der Ankläger nahezu schon über eine reale Stunde mehr oder minder monologisierte und die Verteidigung bisher kaum zu Wort kam. Sicher, ob man das vor einem normalen goreanischen Gericht machen würde, keine Ahnung, aber ein Richter dort würde den Ankläger auch längst nicht so lange sabbeln lassen ist mein Gefühl.

All das setzt natürlich auch voraus, dass auf beiden Seiten ein entsprechendes Sprachgefühl herrscht und man genau weiß, was normaler Sprachgebrauch und was Beleidigung ist.

Ein Beispiel, wo es mir persönlich viel zu zivilisiert und erdenhaft zugeht, sind die normalen Anreden, nämlich Lady und Sir. Für uns selber klingt das adelig, hochgestochen, zivlisiert, mir persönlich ist es meistens zu hochgestochen, in den Büchern ist es viel mehr das Analogon zu Frau Meier und Herr Müller. Nur: wieso sollte ich jeden dahergelaufenen Dorftrottel, noch Outlaws/Piraten/Panther/blablala diese Ehre zu teil kommen lassen und so behandeln?

Ich bin inzwischen mehr dazu übergegangen, lieber Frau Bla und Herr Murks zu sagen, wenn überhaupt oder gleich zu duzen. Das nimmt schon viel Distanz raus und erlaubt ein ganz anderes Spiel. Natürlich gibt es hier auch ein gewisses Gefälle, gegenüber einem Administrator wird man doch nach wie vor eher Sie sagen, als ihn zu duzen. Das Problem haben die Engländer ja nicht, weil es in ihrer Sprache einfach diese Unterscheidung nicht gibt. Gleichwohl würden in den Büchern die Leute, wenn schon man es so gewollt hätte, anders angesprochen werden, also ist Du die eigentliche Standardform der Anrede.

Eine Frau kann dabei auch ruhig mal als Weib bezeichnet werden, auch das Wort hat ja bei uns eine Bedeutungsverschiebung erfahren, ein Bauer als Bauer, der fühlt sich vielleicht sogar geehrt, usw.usf.

Ebenso natürlich geht es auch in den Tavernen und Gaststätten viel zu zivilisiert zu. Martin Luther selber sagte mal „Warum rülpset und furzet ihr nicht, hat es euch nicht geschmacket?“ – das zeigt viel über die Bedeutungsverschiebung dieser Körperlaute. Wenn dort die Leute essen, dann meistens auch viel zu sehr nach dem heutigen Verhaltensmuster, ebenso beim Trinken. In einer richtigen Pagataverne gönnt man sich durchaus schon mal den Spaß, seine Kajira als Druckausgleichsbehälter vor den Augen der anderen Männer zu benutzen, ist ja nichts dabei, in Sl-Gor wird man lange suchen müssen, so etwas gespielt zu finden.

Ach ja, und Sprachgefühl, es setzt natürlich auch voraus, dass die Gegenseite mitmacht und ein Bauer nicht gleich „Aber aber, ich bin ein SÖR und sieze mich gefälligst!“ sagt, wenn man ihn als Bauer tituliert und mit Du anspricht.

3 Gedanke zu “Wir sind alle vieeel zu zivilisiert!”
  1. Einerseits gebe ich dir recht mit dem „zu nett“, das ist mir auch aufgefallen. Die Szenen die mir das meiste „Gor-Gefühl“ gegeben haben, waren die raueren, wo man selbst innerhalb der Heimsteinmauern ein gewisses Kasten-Hierarchie-Denken, eine Spannung zwischen Freiem Mann und Freier Frau, die Abneigung von Freien Frauen gegenüber Pagaschlampen spüren konnte. Auch wenn es vom RP-Plot her diskussionswürdig war: damals das RP mit Charon Sword in Kasra (ach wie lang ist das her? 1½, 2 Jahre?) war für mich persönlich das intensivste, was sich am meisten nach Gor angefühlt hat. Nicht von der Buchnähe her (k.A. ob der Plot überhaupt buchnah war), sondern aufgrund der Konflikte zwischen den Rollen und Kasten.

    Jedoch passe ich mit meiner Schreiberin Alex auch in die Kategorie „zu nett“, „zu zivilisiert“ (ein Herüberschwappen meiner „gem“-Identität? Wer weiß;) ) – allerdings hab ich mich da anfangs immer damit gerettet, dass Alex ja 1.) aus der geschützten Großstadt (= Ar) in die „wilde Provinz“ (=Kasra) kam, daher andere Umgangsformen verinnerlicht hatte, und 2.) noch sehr jung (grad ausstudiert) war, also die nötige Arroganz der Erwachsenen noch nicht hatte. Das hat sich erst nach meiner ersten monatelangen Gor-Pause (begründet mit der „Entführung durch Thorin“) geändert, als dann Alex auch mal anfing, zu fluchen und über Niederkastige (wenn es nicht grad gegen die alten Freunde/Freundinnen ging) und Sklavinnen zu lästern… Sie hatte halt in der schweren (IC-Background-) Zwischenzeit andere, neue Erfahrungen gesammelt… 😛

    1. Sicher, ein Charakter macht eine gewisse Entwicklung durch und die beeinflußt das natürlich auch.

      Es ist nur so, dass es meistens von Ort und Zeit egal ist, wo man hinkommt, man fühlt sich so nett behandelt, so zivilisiert, fast schon wie beim englischen Adel.

      „Oh James!“ „Oh Marsha!“ „Oh James, könnten sie bitte euren Schuh zubinden?“ „Aber natürlich, werteste Marsha!“, keine Ahnung was noch und mehr in der Richtung, aber oft kommt es mir eben so vor. Alles so furchtbar nett, galant, charmant wie bei der britischen Teatime. Etikette, wo man geht und steht! Ja, Charon hatte das schon drauf und ich weiss auch, wo er zu finden ist. 😀

      Und dann gibt’s noch die Panther, die beleidigt sind, wenn man sie nicht grüßt oder mit du anspricht, jajaja, wird immer besser.

      Kurz, was weniger Etikette und mehr Rauhheit wäre allgemein sehr gut für das Spiel, und auch manchmal schnelleres Handeln, viele labern zu sehr und tun zu wenig, selbst wenn der Feind vor den Toren steht, bleibt dann noch bei denen Zeit für eine Ansprache in Stundenlänge (ok, übertrieben.)

  2. Ja, das Problem sind dann diese Ewigen OOC Diskussionen..oder einfach das Unverständnis auf das man trifft.
    Es gibt normal sogar Rangordnungen unter den Sklavinnen…
    aber das kann man mal ganz vergessen…..
    Wenn man schon mitbekommt, wie die Freien vor ihren Rutschies parieren und kuschen und sie in Schutz nehmen, sollte mal wer gewagt haben, sie arbeiten zu lassen, oder gar mal eine langen….
    da braucht man an „wilderes“ Verhalten nicht mal mehr denken.

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