Es gibt einen Spruch, den viele gerne in unterschiedlichen Formulierungen in ihr Profil rein schreiben und der sehr populär ist. Dieser Spruch ist:

Nur wenn du in meinen Schuhen gelaufen bist, dann kannst du über mich urteilen

Das klingt gut, es klingt logisch und ist vor allem bequem.

Was aber ist von dem Spruch zu halten? Nicht viel, wenn man ihn auch nur ein bißchen kritisch beleuchtet.

Zunächst einmal ist dieser Spruch bei vielen einfach nur ein bequemes Schutzschild Marke „Kritk unerwünscht!“ – und warum? Richtig: siehe Spruch! Eigentlich könnten sie gleich auch bei sich „Kritik an mir ist unerwünscht!“ in ihr Profil rein schreiben, das wäre vom Sinn her dasselbe, nur wesentlich deutlicher formuliert. Nur so deutlich formuliert will das eben keiner in sein Profil rein schreiben, denn wer mag schon als kritikunfähig gelten? Eben: niemand!

Der zweite Aspekt ist, dass der Spruch deutlicher betrachtet in der Realität dahin schmilzt wie ein Eiswürfel in der Wüste Sahara. Warum? Es gibt einen ganzen Berufszweig, dessen einzige Aufgabe es ist, ständig über andere Menschen zu urteilen, er nennt sich Richter.

Und muss nun beispielsweise ein Richter an einem Landgericht erst selbst einen Mord begehen, um einen Mörder verurteilen zu können? Natürlich nicht. Muss man selber erst ein Tier quälen, um darüber urteilen zu können und um Tierquäler einfach nur als mies zu empfinden? Natürlich nicht.  Muss man als Gast in einer Gaststätte selber gut kochen können, um schlechtes Essen zu erkennen und zurück gehen zu lassen? Natürlich nicht! Der weiteren Beispiele gibt es viele, die die Aussage des Spruchs widerlegen.

Der Spruch ist damit im Grunde nichts anderes als ein wunderbar schön formuliertes „Ach, lass mich einfach in Ruhe!“ – und mehr eben nicht.

Der Mensch bildet sich nun einmal ständig, stetig und überall seine Urteile und Meinungen über alle möglichen Aspekte des Lebens und auch Personen. Das gehört zum Sozialverhalten dazu und wird daher auch niemals verschwinden.

3 Gedanke zu “Was von „Nur wenn du in meinen Schuhen gelaufen bist, dann kannst du über mich urteilen“ zu halten ist”
  1. Dem Vergleich mit Richtern und Tierquälern und anderen kann ich leider nicht zustimmen. Ich verwende diesen Spruch auch sehr gerne, aber nicht, weil ich meine Ruhe möchte, sondern weil ich der Meinung bin, dass es in den meisten Lebenslagen tatsächlich so ist! Es ist defakto einfach so, dass Menschen, die einen anderen Menschen nicht näher kennen, niemals über sein Verhalten, seine Lebensweise und sein Denken oder auch sein Aussehen urteilen können, ohne genau zu wissen, was dieser Mensch hinter sich hat oder worin er vielleicht gerade noch festhängt. Und ich denke nur darum geht es bei dieser Aussage. Ein Richter verurteilt natürlich einen Mörder, ohne vorher selbst gemordet zu haben. Mord ist strafbar und durch nichts zu entschuldgen. Der Richter erledigt hier seinen Job nach bestehenden Gesetzen, dazu muss er natürlich nicht vorher selbst gemordet haben. ^^ Dass es mehr als verwerflich ist, Tiere zu quälen, sollte einem der gesunde Menschenverstand und Gefühl bereits sagen… Dazu muss ich nicht erst selbst Tiere gequält haben. Um zu wissen, was mir schmeckt und was nicht, muss ich auch lediglich essen, nicht selbst kochen. 😉 Aber um zu beurteilen, warum jemand vielleicht keinem geregelten Job nachgeht (nachgehen kann) und nicht wie alle, morgens um 7 das Haus verlässt und Abends um 6 wieder erscheint, warum er ein wenig ungepflegt aussieht vielleicht, warum er keine geraden strahlenden Zähne hat, weshalb er gern mal einfach im ungemähten Garten mit tausenden Blümchen sitzt, statt loszuackern und alles in „deutsche Ordnung“ zu schaffen, das kann kein Mensch beurteilen, ohne zu wissen, warum derjenige dies oder jenes nicht tut oder anders macht, als man selbst… Aber gerade diese Dinge werden heute oft allzuschnell von Mitmenschen be- und verurteilt und es wird gelästert und übereinander hergezogen, was das Zeug hält. Und ich denke nur DAS will dieser Spruch ausdrücken… Ein bisschen mehr Menschlichkeit eben wieder walten zu lassen und mal andere sein zu lassen, wie sie sind (und über Mörder und Tierquäler sprechen wir hier nach wie vor nicht…).

    1. Danke, du sprichst mir voll und ganz aus der Seele. Ich denke mal für Menschen wie den Verfasser ist der Spruch gemacht. Ehe man Andere aburteilt, sollte man sich die Unterschiede zwischen sich selbst und dem Anderen vor Augen führen und sich fragen, warum man nicht so ist wie der Andere. Vielleicht einfach mehr Glück gehabt, man ist in der Lage, ein höheres Maß zu ertragen? Und das reicht dann aus, andere Menschen, die anders, bestimmt auch schwächer ticken und vielleicht auch viel weniger Glück im Leben hatten, als kritikunfähig abzustempeln?

      Niemand steckt in dem Körper und der Seele eines Anderen, auch wenn die Beziehung noch so eng sein mag. Das und nichts Anderes drückt dieser Meinung nach der Satz bzw. die Lebensweisheit aus! Und eine Aufforderung, nicht vorschnell zu urteilen, sondern sich statt dessen lieber mal in Toleranz zu üben.

  2. Danke Janice, danke Kleflegi für eure Beiträge!!! Da kann ich mich voll und ganz anschließen, denn ihr sprecht auch mir voll und ganz aus der Seele.

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